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Welt - 28.10.2018

Zur Natur – oder zum südeuropäischen Flair?

Viele Menschen in der EU wünschen sich, dass die Winterzeit bald abgeschafft wird. Ist das gut? Die Sommerzeit: Glück oder Heimsuchung? Ein Pro und Kontra.

Uhrenfeld in Düsseldorf.

Jedes Jahr im Herbst bekommen wir eine Stunde geschenkt, heißt es. Weil die Uhr von der Sommer- wieder auf die Winterzeit gestellt wird. Der Satz ist völlig absurd, weil wir uns freuen sollen, dass wieder Normalität eintritt. Denn die Winterzeit ist die normale, die von der Natur gesetzte Zeit. Diejenige, auf die nicht nur unser ganzer Biorhythmus aufbaut, sondern auch der von Pflanzen und Tieren. Aber der Mensch, selbstherrlich wie er ist, glaubt schon seit vielen Jahren, er könne sich einfach darüber hinwegsetzen. Die Welt als Wille und Vorstellung. Das beruht auf einem Irrtum: der Verwechslung von „Uhr“ und „Zeit“. Die Uhr kann man für die Sommerzeit vorstellen, die jedoch Zeit nicht.

Es ist erstaunlich: Viele Menschen legen zu Recht sehr viel Wert darauf, gesund zu leben. Sie ernähren sich gesund, bewegen sich viel, versuchen so gut es geht, Stress zu vermeiden. Aber wenn man mit ihnen über die Sommerzeit redet, stellen sie auf stur. Das ist doch nur eine Stunde, das steckt man locker weg. Sie sind doch toll: diese langen, hellen, warmen Sommerabende. Diese Zeit im Jahr steht einfach für gutes Lebensgefühl. Die meisten sehnen diese Monate regelrecht herbei. Am liebsten hätten sie sie für immer. So jedenfalls sagt es eine Umfrage, die die EU in Auftrag gegeben hat. Und ausgerechnet in dieser Frage droht die EU, populistisch zu entscheiden und dem Begehren der Mehrheit nachzugeben.

Man kann die Sinnhaftigkeit einer solchen Umfrage insgesamt in Frage stellen: Wenn man im Sommer danach gefragt wird, willst Du die Sommerzeit für immer, sagen die meisten Ja. Das ist nicht überraschend. An den Winter denkt dabei niemand. Und auch nicht an Frühling und Herbst. Da ist es nämlich früh eine Stunde länger dunkel. Eine grausame Vorstellung. Dunkelheit bis um neun Uhr morgens. Wer erst um zehn aufstehen kann, den mag das nicht stören. Wer um sechs Uhr früh raus muss, wird das schon anders sehen. Mag sich daran gewöhnen, wer will. Ich will es nicht.

Aber es geht nicht einmal darum, was ich will oder nicht. Neben der Zeit zu leben ist einfach ungesund. Das sagen jedenfalls die Mediziner einhellig. Sie warnen vor Bluthochdruck, Herz-Rhythmus-Störungen, sogar vor erhöhtem Krebs-Risiko. Dazu gibt es gar keine belastbaren Studien, wird den Ärzten entgegengehalten. Das stimmt. Aber müssen wir wirklich erst den Versuch machen, ob die düsteren Szenarien eintreten. Wir machen uns schon genügend Stress: durch die Verdichtung der Arbeit, den zunehmenden Verkehr, die permanente Bereitschaft 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Machen wir uns nicht noch mehr Stress durch ein Leben in der falschen Zeit.

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