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Politik - 23.11.2018

Schlechte Luft in Darmstadt: Grüne sind sich nicht mehr grün

Wie kann die Luftqualität in Darmstadt verbessert werden: grüne Kommunalpolitiker haben da ganz ander Vorstellungen als grüne Landespolitiker.

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WIESBADEN/DARMSTADT – In Hessens grüner Familie hängt der Haussegen schief. Besserwisserei hat Jochen Partsch, Oberbürgermeister in der grünen Hochburg Darmstadt, der Landesregierung in Wiesbaden vorgeworfen. Dabei hat er ausgerechnet das von Priska Hinz geführte Umwelt- und das von Tarek Al-Wazir geleitete Verkehrsministerium im Visier. Beide zählen zu den Parteifreunden von Partsch. Eigentlich.

Was den grünen Partsch auf die Palme getrieben hat: Vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden, vor dem über ein Diesel-Fahrverbot für Darmstadt verhandelt wird, konnten sich die beiden Minister nicht mit Darmstadt auf eine gemeinsame Strategie einigen. Stattdessen habe das Land Maßnahmen gefordert, die über dem ohnehin schon umfangreichen „Green-City-Plan“ hinausgehen. Die geforderte Einbahnstraßenregelung in der Heinrichstraße stört Partsch genauso wie ein mögliches Fahrverbot für ältere nachgerüstete Diesel auf einer weiteren innerstädtischen Hauptstraße, der Hügelstraße. Partsch spricht von einem „falschen Signal“.

Fakt ist: Im Jahresmittel muss der Grenzwert für Stickstoffdioxid, der bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt, eingehalten werden. Doch für die Hügelstraße hat das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie zwei unterschiedliche Werte veröffentlicht. Den der Luftmessstation mit zuletzt 52,3 Mikrogramm. Und den des Passivsammlers mit 71,8 Mikrogramm.

Fotos

Passivsammler an der Hügelstraße in Darmstadt: Schlechte Luft weit über dem Grenzwert. Foto: dpa

Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Fotos: dpa

Hessens Umweltministerin Priska Hinz

Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch

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Offenkundig basiert der Green-City-Plan der Stadt Darmstadt auf dem deutlich niedrigeren Wert der Luftmessstation. Denn Partsch hält den Wert des Passivsammlers für „ungeeignet“und für die Hügelstraße nicht repräsentativ. Er schimpft, die Werte seien erst im September „nachgemeldet“worden.

Doch das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie schwört auch diesen Passivsammler, mit dem in Darmstadt seit 2016 die Umweltverschmutzung in der Hügelstraße gemessen wird. Es handelt sich um ein etwa fünf Zentimeter langes Röhrchen, das einen Durchmesser von einem Zentimeter hat. Es ist mit einem Material gefüllt, das die Gase aus der Luft aufnimmt. Passiv. Und eben nicht aktiv, indem Luft angesaugt wird, so Stefan Jacobi, Leiter des Dezernates Luftreinhaltung beim Landesamt. Bei dieser Art der Messung handele es sich um eine „Probenahme“ über einen Zeitraum von einem Monat.

VERGLEICH FÜR WIESBADEN?

Am 19. Dezember wird auch über ein Diesel-Fahrverbot in Wiesbaden verhandelt. Das Sofortprogramm der Landeshauptstadt mit Maßnahmen für einen besseren öffentlichen Nahverkehr und den Ausbau des Radverkehrs ist nach Einschätzung von Ministerin Priska Hinz (Grüne) aber so gut, dass kein Fahrverbot notwendig wird.

Der Wiesbadener Umwelt- und Verkehrsdezernent, Andreas Kowol (Grüne), kann sich bei der Verhandlung über den Luftreinhalteplan auch einen Vergleich vorstellen.

Das Landesamt hat in der Vergangenheit auch in Frankfurt, Wetzlar, Limburg, Fulda und Offenbach getestet, ob die Werte, die mit dem Passivsammler gemessen werden, gleichwertig sind mit denen einer Luftmessstation. Sie sind es, sagt Jacobi. „Das können wir guten Gewissens behaupten“.

Fakt ist aber auch, dass der Passivsammler in der Hügelstraße an der Hausnummer 26 hängt. Die Luftmessstation steht an der Hausnummer 24. Das ist gerade mal eine Distanz von 40 Metern. Und trotzdem so gravierende Unterschiede bei der Luftqualität? „Absolut möglich“, sagt Jacobi. Denn schon im Vorfeld hatten Modellrechnungen ergeben, dass in relativer Nähe zur Luftmessstation die Belastung höher sein muss. Und der Gesetzgeber fordere eben, dass nach Orten zu suchen ist, an denen die Menschen mit der höchsten Schadstoffbelastung ausgesetzt sind. Diese Forderung sei mit dem Passivsammler an der Hausnummer 26 erfüllt, so der Dezernatsleiter.

Der grün-grüne Krach hat noch einen weiteren Aspekt. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden sollen jetzt die Deutsche Umwelthilfe als Klägerin und das Land als Beklagte nach einem Vergleich suchen. Partsch drängt darauf, dass die Stadt an diesen Vergleichsverhandlungen beteiligt wird. „Wir werden selbstverständlich an diesen Gesprächen teilnehmen“.

Das Umweltministerium zeigt sich da aus Nachfrage dieser Zeitung etwas reservierter „Das Land werde im vorgegebenem Zeitraum das Gespräch mit der Stadt Darmstadt suchen, um die Ergebnisse und Auswirkungen aus der Entscheidung des Gerichts zu besprechen“.

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