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Politik - 26.01.2019

Gastkommentar von Friedrich Küppersbusch: Männer, wir haben es vergeigt!

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Sie verlassen jetzt den demokratischen Sektor. Na, sagen wir mal, den genderkorrekten. Vergessen Sie für die Dauer dieser Kolumne die KolumnInnen, die *-Schreibweise, das holprige Doppel „Liebe Leserinnen und Leser“, die tückische Nachrüstung der Männersprache auf den Fortschritt der letzten hundert Jahre. Ich will mal so sagen: So! Und nicht: SoIn.

Im Januar 1919 nutzten Frauen in Deutschland erstmals ihr jüngst zuvor errungenes Wahlrecht. Der Berliner Senat entschied nun in dieser denkwürdigen Woche, den Internationalen Frauentag am 8. März zum offiziellen Feiertag zu erheben. Und schließlich rumort auch noch ein Werbespot eines Rasierer-Herstellers durch viele Medien, weil er standesgemäß klingenscharfe Kritik am Mann übe. Mal wieder eine Menge los an der Geschlechterfront diese Woche.

Schon schäumt die Wendung vom „toxisch Männlichen“ auf, die nahelegt, Träger des XY-Chromosoms bergen von Natur her Gift in sich. „Inverser Feminismus“ schallt dem entgegen, vor lauter Feminismus sei nun der Mann zum Opfer geworden und müsse sich für sein Mannsein rechtfertigen.

UNSER GASTAUTOR

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Autor und TV-Produzent. Er sitzt im Beirat des Grimme-Instituts.

Das sind keine Gegensätze, denn in beiden Sichtweisen taucht der Mann als Objekt auf. Böser Mann, armer Mann. Von außen gesehen. Ob er Feminismus unterstützt oder bekämpft, er wird über den Kampf der Frauen definiert. Und der kann – seien wir ehrlich, Jungs – noch dauern. Quotierte Chefetagen haben nichts mit millionenfachem Unrecht an der Werkbank zu tun; ein paar Innenarchitektinnen stehen gegen weibliche Heere, die anderswo auf der Welt unter moribunden Arbeitsbedingungen schicke Garderobe für Chefladies herstellen. Da ist noch viel zu tun.

Aber nicht von mir. Als Schwester und Mutter am Küchentisch diskutierten, ob frau „Emma“ oder gleich „Courage“ zu lesen habe, verstand ich Knabe grob, dass es gut sei, sich über Gerechtigkeit einen Kopf zu machen. Dass die Frauen jetzt ein paar Türen auftreten und mann sich daran ein gutes Beispiel nehmen könne. Wenn die den ganzen Küche-Kirche-Kinder-Zwang abstreifen – was von meiner Prinzenrolle möchte ich denn gern zurückgeben ? Gar nicht erst werden?

Drei Viertel aller Selbstmorde in Deutschland tun sich Männer an. Das ist nichts Genetisches; anderswo auf der Welt ist das anders. Bei den Obdachlosen stellen Männer ebenfalls 75 Prozent. Es gibt 350 Frauenhäuser in Deutschland, „Schutzhäuser für Männer“ hingegen vier. Obwohl die Polizeistatistik 18 Prozent Männer als Opfer häuslicher Gewalt anführt. Auf der Höhe der Debatte um Genitalverstümmelung an Frauen winkten Bundestag und Bundesrat in Rekordgeschwindigkeit ein Gesetz durch, das Beschneidung bei Jungs erlaubt. Heikles Terrain, wir sind die Letzten, die Juden und Moslems reinreden sollten, schon klar. Mein Sohn durchstand vier matriarchalische Grundschuljahre, bevor er am Gymnasium den ersten Lehrer, Ansprechpartner, Rollenvorschlag zu sehen bekam. Die sehr vorübergehende „Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ Kristina Schröder brachte in ihrem Ressort ein „Referat Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“ unter und wurde dafür ausgelacht. Im Zeitschriftenregal gibt’s immer noch keinen Emmerich, sondern „Boa“ – für Männer, die bei Turnschuhen und Brillen ähnlich viel Geld rauswerfen wollen wie Namenspatron Jerome Boateng. Die Liste geht weiter, ein paar sorgerechtsgeschädigte Väter haben inzwischen Ansätze zur Selbstorganisation entwickelt. – Männer, wir haben es vergeigt. Streiten über Frauenquoten, ängstigen uns vor „neuen Frauen“, führen die Debatte um Geschlechterrollen als Auswärtsspiel.

Wenn es von den runden Daten der Frauenbewegung etwas zu lernen gibt, dann: Die Mütter der Bewegung haben nicht die Männer gefragt, wie sie die Frau, die Emanzipation, die Geschlechterrollen denn bitte gern hätten. Der Mann – oder was sich dem Genre zurechnet – wird nicht freier, wenn er sich ein paar neue Rollenvorgaben draufschafft. Die Frau auch nicht.

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