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Politik - 23.03.2019

Personalnotstand bei Hessens Justiz

Es fehlt an Staatsanwälten und fast an jedem Gericht an Richter. Der Richterbund warnt: Der Personalnotstand könnte zu überlangen Verfahrensdauern führen.

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WIESBADEN – Die Vorwürfe, die in dem Wirtschaftsstrafverfahren verhandelt wurden, waren neun Jahre alt. Zwei Jahre dauerten die Ermittlungen. Doch der Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden begann erst Anfang 2019. Dabei war der Schaden beträchtlich: 1,2 Millionen Euro. Der Fall mag ein Ausreißer sein. Doch er hat System. Denn Hessens Justiz mangelt es an Staatsanwälten und Richtern. Das hat Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) jetzt auf Fragen der SPD einräumen müssen. Aus ihrer Antwort geht hervor: 23 Richter fehlen an den fünf Verwaltungsgerichten, 50 an den neun Landgerichten. Und es bräuchte 95 zusätzliche Staatsanwälte, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.

Die Personallücke habe sich im Vergleich zu 2017 zwar verringert, lobt der Richterbund Hessen einerseits. Andererseits fehlten immer noch 200 Richter: ein Fehlbestand von zehn Prozent.Der Mangel nagt an den Fundamenten des Rechtsstaates. Der Richterbund warnt, Verfahren könnten mehrere Monate nicht bearbeitet werden. Es drohe, dass Tatverdächtige wegen überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen.

149 Richter arbeiten am Oberlandesgericht Frankfurt. Den Bedarf gibt das Justizministerium mit 169 Richterstellen an. „Wir blicken neidisch auf andere vergleichbare Oberlandesgerichte, die personell erheblich besser ausgestattet sind“, sagt Roman Poseck, Präsident des Oberlandesgerichtes. In Frankfurt habe man die Verfahren bislang „innerhalb eines überschaubaren zeitlichen Rahmens“ erledigen können. Zivilverfahren dauerten im Schnitt zwölf Monate. Bewältigt hätten die Richter auch den starken Anstieg der Staatsschutz-Verfahren. Für die Verfahren gegen zurückgekehrte IS-Kämpfer war am OLG sogar ein zweiter Staatsschutzsenat eingerichtet worden. Nur: Der muss auch Zivilverfahren übernehmen. Und deren Bearbeitung leidet unter der wachsenden Zahl von Strafverfahren. OLG-Präsident Poseck warnt: „Sollten durch IS-Rückkehrer noch weitere Verfahren in größerer Zahl anfallen, wäre dies in personeller Hinsicht eine zusätzliche Herausforderung“.

Seit 2014 seien bei Hessens Justiz über 500 neue Stellen geschaffen worden, verteidigt sich das Justizministerium in Wiesbaden. Dieses Aufbauprogramm werde auch in der neuen Legislaturperiode fortgeführt. Auch sei der in der Statistik festgestellte Mangel oft nur eine Momentaufnahme. Bei den Verwaltungsgerichten etwa sei der Bedarf 2018 im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken: um 144 Stellen. Der Grund: Erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 gab es im vergangenen Jahr mehr abgeschlossene Asylverfahren als Asylklagen, die neu auf die Tische der Richter kamen. Die Zahl neuer Hauptverfahren war von 25 803 auf 8596 im vergangenen Jahr gesunken. Für das Justizministerium geht es auch um verantwortungsvolles Haushalten mit Steuergeldern: Man könne nicht auf jede Entwicklung mit dem Schaffen neuer Stellen reagieren.

Der Richterbund indes fürchtet, dass gar nicht mehr genügend geeignete Bewerber für das Richteramt zu finden sind. Um die gebe es eine wachsende Konkurrenz mit Unternehmen, Kanzleien und Justizverwaltungen anderer Länder: „Die hessische Justiz bleibt vom Fachkräftemangel nicht verschont.“

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