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Kultur - 27.03.2019

„Christo – Walking on Water“ kommt ins Kino

1,2 Millionen Menschen haben 2016 Christos „Floating Piers“ in Italien gesehen. Der Dokumentarfilm „Walking on Water“ lässt das gigantische Kunstereignis erneut aufleben. In Berlin feierte der Film jetzt Weltpremiere.

„Alle Maschinen stopp“, schreit Christo und wedelt energisch mit den Armen. Die Monteure weist er an, welche Eisenketten die Stoffplanen beschweren sollen. Dann sieht man den Künstler im Hubschrauber; Kontrolle von oben. Schon im Trailer zum Film „Walking on Water“ wird klar: Dieser rastlose 81-Jährige strotzt vor Vitalität und ist pausenlos im Einsatz.

Der Dokumentarfilmer Andrey Paounov hat den bulgarisch-amerikanischen Verhüllungskünstler Christo 2016 in Italien bei seinem Mammutprojekt „Floating Piers“ begleitet. Über 1,2 Millionen Menschen konnten dabei auf schwimmenden leuchtend orangen Stegen über den Iseo-See wandeln. Am 26. März feierte der Film in Anwesenheit des Künstlers und des Regisseurs Weltpremiere in Berlin.

Floating Piers – von langer Hand geplant

Christo: „Als würde man über den Rücken eines Wals gehen“

Bereits in den 1970er Jahren hatten Christo und seine Frau Jeanne-Claude die Idee zu „The Floating Piers“, einer Konstruktion aus stoffüberzogenen Pontons, die es ermöglichen, über das Wasser zu wandeln. Wunschorte für die Realisation waren eigentlich der Rio de la Plata zwischen Uruguay und Argentinien und später die Bucht von Tokio. Doch nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen konnte das Künstlerpaar das Projekt nie verwirklichen.

In Italien, am norditalienischen Iseo-See zwischen Mailand und Venedig, gelang es Christo dann schließlich, Naturschutzverbände, Behörden und Denkmalpfleger von seiner Idee zu überzeugen. Das gigantische Vorhaben war seit dem Tod von Ehefrau Jeanne Claude 2009 das erste Großprojekt, das Christo wieder in Angriff nahm.

Vor dem Bergpanorama der italienischen Alpen entstand ein drei Kilometer langes Kunstwerk aus schwimmenden Stegen, das die Inseln Monte Isola und San Paolo mit dem Ort Sulzano verband. „All unsere Kunstwerke sind völlig nutzlos. Sie existieren nur, weil ich und Jeanne Claude sie sehen und realisieren wollten“, sagt Christo im Film.

Logistische Herausforderung auf dem Wasser: Die riesigen Stoffbahnen sind nicht leicht zu verlegen

Stoffbahnen aus deutscher Produktion

Der bulgarische Regisseur Andrey Paounov hat die turbulente Entstehung der „Floating Piers“ vor und hinter den Kulissen verfolgt. „Walking on Water“ zeigt die technischen Herausforderungen, die Hürden und Widerstände, den Kampf gegen Wind und Wetter, aber auch die vielen Erfolgsmomente. Und immer wieder Christo mit seinem Temperament, das ihn schnell aufbrausen, aber ebenso schnell wieder einlenken lässt.

Polyethylen-Würfel dienen als Tragfläche für die Stege

100.000 Quadratmeter Nylonbahnen aus deutscher Fabrikation wurden vernäht und dann auf dem schwimmenden Docksystem befestigt. Dieses wiederum bestand aus 220.000 miteinander verankerten Kunststoffwürfeln, die nach der ganzen Aktion ebenso wie die Kunststoffbahnen recycelt wurden.

Christo ist berühmt für seine Aufsehen erregenden Installationen und abstrakten Kunstwerke in der Landschaft. So verhüllte er den Reichstag in Berlin, Bäume in der Schweiz oder Wege in Kansas City. Und manchmal verhüllt er auch einfach nur Luft in großen „Luft-Paketen“.

Der Stoff, den er auf seine Objekte legt oder schnürt, steht für die Vergänglichkeit der Kunstwerke. Sie sollen keinem gehören und keiner soll Eintritt zahlen. Gerade einmal 16 Tage standen die „Floating Piers“ in Norditalien den Besuchern offen. Über 15 Millionen Euro hat Christo der Spaß gekostet. Das Geld hat er wie immer nur mit dem Verkauf eigener Skizzen, Fotos und Werke verdient.

Der Gang über das Wasser: Zeitweise wegen Überfüllung geschlossen

Floating Piers: Ein „Wahnsinns“-Projekt

800.000  Besucher hatte sich Bürgermeister Fiorello Turla für den kleinen Ort Sulzano erhofft. Über 1,2 Millionen Menschen waren im Juni 2016 gekommen. Bereits am Eröffnungstag wollten 55.000 Menschen auf die Stege. Das führte zu logistischen Problemen, die Angst vor Unfällen war groß. Hinzu kamen Unwetter. Zeitweise mussten die Stege wegen des großen Ansturms gesperrt werden.

Auch das Material der Pontons drohte der Dauerbelastung nicht Stand zu halten. Der Film zeigt, welche Mühe die Ordner hatten, die Menschenmassen zurückzuhalten. Medienvertreter hasten mit ihren Kameras über die Stoffbahnen durch die Straßen von Sulzano und ein aufgebrachter Christo stellt fest: „Dann werden es heute 200.000, das ist der totale Wahnsinn.“

„Walking on Water“

Schon bei den Vorbereitungen mussten die Arbeiter Wind und Wetter trotzen

Vor einer italienischen Schulklasse erklärt Christo: „Ich liebe echte Sachen, echten Wind, echte Trockenheit, echtes Nass. Echte Angst und echte Freude.“ Christos Freude schien während der Unwetter, wenn die Wellen über die 16 Meter breiten Stege schlugen, besonders groß. „Christo hat dagestanden und hat sich gefreut wie ein kleines Kind“, erzählte Robert Meyknecht damals der DW. Seine Lübecker Firma hatte die dahliengelben Nylonbahnen zugeschnitten, zusammengenäht und auf den Piers verlegt.

Auf seiner Homepage beschreibt Christo selbst das Gefühl, als gehe man über das Wasser oder den Rücken eines Wals. Der Künstler liebt die raue Natur. Seine Kunstprojekte im Freien und auch seine Besucher sind jedem Wetter ungeschützt ausgesetzt. „Das ist kein Bild, kein Film und auch kein Fernsehen, sondern die Realität“, sagt Christo der DW in einem Interview.

Diesmal ist es allerdings doch ein Film geworden. Ein Dokumentarfilm für alle, die damals nicht dabei sein konnten oder die noch einmal das spektakuläre Ereignis nacherleben wollen. Ein Film der neben aktionsgeladenen Szenen auch ein einfühlsames, humorvolles Portrait des Künstlers bei der Arbeit verspricht. Offiziell startet „Walking on Water“ am 11. April.

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