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Kultur - 15.02.2019

„Bulbul Can Sing“: Junge Liebe gegen alte Sitte

„Warum bist du immer zornig? Benimm dich!“ Ähnliche Mahnungen kennt Rima Das aus ihrer Kindheit in Indien. Mit „Bulbul Can Sing“ kehrt die erfolgreiche Filmemacherin in das Dorf zurück, aus dem sie stammt.

Sie hängen eine Schaukel in einen Baum und lassen die Seele unbeschwert baumeln: die drei Freunde Bulbul, Bonny und Suman. Sie sind Teenager aus einem indischen Dorf.

Aber schon zu Beginn des Films beschleicht einen eine dunkle Vorahnung, wenn Bulbul von ihrem Freund Suman ermahnt wird, ihre langen, dunklen Haare zusammenzuknoten. Sonst würde sie der ruhelose Geist eines Mädchens heimsuchen, das sich hier umgebracht habe. Bulbul gehorcht und bindet ihre Haare zusammen, doch das Drama nimmt seinen Lauf.

Geschichte einer Freundschaft: „Bulbul Can Sing“

„Bulbul Can Sing“ ist eine Geschichte über die Freundschaft der Drei, das Finden einer eigenen Identität und die erste Liebe. In ihrem Dorf und der Schule verbringen sie viel Zeit zusammen.

Die Kamera begleitet sie in ihrem Alltag, wenn sie Feuer für das hinduistische Lichterfest Diwali anzünden, kreischend vor dem Feuerwerk weglaufen und an den sumpfigen Feldern herumtollen; wie sie sich an der Wasserstelle waschen, bei den Chorproben in der Schule, wie sie das ausgebüxte Schwein suchen und die Natur beobachten.

Rima Das hat ihre Geschichte in wunderbare Bilder gefasst. Fast jede Einstellung ist eine Liebeserklärung an die Natur – ohne zu romantisieren. Die Härte des Dorflebens ohne befestigte Straßen, Computer und Handys spart sie nicht aus.

Selbst Erlebtes wird zur Fiktion

Es ist eine fiktive Geschichte, aber eben nicht nur. Rima Das hat bei dem Film nicht nur Regie geführt, von ihr stammt auch das Drehbuch. Sie selbst ist 1982 geboren und aufgewachsen in dem Dorf in der Region Assam, im Nordosten Indiens, in dem der Film gedreht wurde: in Kalardiya in der Nähe von Guwahati. Das Filmensemble besteht fast ausschließlich aus Laiendarstellern.

Rima Das vor dem Berlinale Palast

Wenn Bulbul von ihrer Mutter gemaßregelt wird, nicht zornig, sondern anständig zu sein und ihr Kleid nicht hochzubinden, oder den Ansprüchen ihres Vaters begegnen muss, der sie zu einer professionellen Sängerin machen will, obwohl sie Angst hat, vor Publikum zu singen, schwingen auch die Erfahrungen ihres Lebens in der Region mit.

Als Schauspielerin gescheitert

2003 ist Das nach Mumbai gezogen, um dort als Schauspielerin zu arbeiten. Doch sie konnte beruflich nicht Fuß fassen. Im DW-Interview erzählt sie, wie sie das in eine Depression gestürzt habe. Sie habe schließlich beschlossen, eigene Filme zu machen. Und so kommt es, dass sie, obwohl sie nie eine Filmakademie besucht hat, bei ihrem dritten Film „Bulbul Can Sing“ beinahe alles allein macht: vom Drehbuch, über das Szenenbild, die Kamera, die Regie, den Schnitt und die Produktion. 

Ihr letzter Film „Village Rockstars“ wurde als bester Film beim indischen National Film Award ausgezeichnet und als bester fremdsprachiger Film ins diesjährige Oscar-Rennen geschickt, jedoch nicht nominiert. „Bulbul Can Sing“ lief nicht nur bei der Berlinale in der Sektion Generation, sondern feierte seine Premiere auf dem Toronto International Film Festival.

Zurück im Heimatdorf: Rima Das bei Dreharbeiten in Assam

Bei „Bulbul Can Sing“ liegen die Bezüge zur Realität nicht nur in der Vergangenheit: Die Dreharbeiten zu ihrem letzten Film, ebenfalls in ihrem Heimatdorf, habe sie auf einen Jungen aufmerksam gemacht, der die Vorlage für Suman im Film liefert. Er ist ihr wegen seiner weiblichen Züge aufgefallen und weil er von den Dorfbewohnern stets mit dem Spitznamen „Ladies“ verspottet wird.

Im Film möchte Suman Bulbuls Haare schneiden und ebenfalls die Augenbrauen gestutzt bekommen. Ohne Unterlass wird er gehänselt, gefragt, ob er irgendwann einmal Braut oder Bräutigam sein wird und Lippenstift brauche. Doch der reale Junge aus dem Dorf ist nicht nur die Blaupause für Suman, er spielt ihn auch.

Die Katastrophe

Im Film wird er schließlich zur Schlüsselfigur. Als Bulbul und Bonny sich verliebt mit ihren Freunden zurückziehen und Suman Schmiere stehen soll, kommt ein Trupp junger Männer vorbei. Sie schikanieren Suman, der flüchtet und kann die Verliebten nicht rechtzeitig warnen. Die Truppe erwischt die beiden Pärchen beim harmlosen Nebeneinandersitzen. In der Manier selbsternannter Sittenwächter werden Bulbul, Bonny und ihre beiden Freunde nicht nur eingeschüchtert und mit Stöcken geschlagen, sondern schließlich, ob der vermeintlich herbeigeführten Schande, von der Schule verwiesen.

„Bulbul Can Sing“ erzählt von der ersten Liebe und einer dramatischen Wendung

Was dann folgt, hat ebenfalls Bezug zu ihrer eigenen Geschichte, erzählt Das im Berlinale-Interview. Bonny hält die Demütigung und die Last nicht mehr aus und nimmt sich das Leben. Es sei ihre beste Freundin im College gewesen, sagt Rima Das.

Die anderen ruinieren dein Leben

Wenn Bulbul in der Schlussszene gesagt bekommt, dass sie nicht auf andere hören soll, weil das ihr Leben ruiniert, sondern nur auf ihr Herz, klingt das zunächst ein wenig kitschig. Wenn man den Lebensweg von Rima Das betrachtet, ist es eher ein ernst gemeinter Ratschlag.

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