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Wirtschaft - 06.02.2019

Sorge um die deutsche Industrie

Deutschlands Wirtschaft geht es gut. Wirklich? Minister Altmaier hat seine Zweifel. Er sieht Versäumnisse und will steuernd eingreifen. Jedenfalls dort, wo es „um die Wurst geht“. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Seit bald zehn Jahren kennt das deutsche Konjunkturbarometer nur eine Richtung: aufwärts. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, die Geschäfte laufen bestens. Vielerorts ist zu hören, man könnte sogar noch mehr produzieren, wenn nur mehr qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stünden. Verantwortlich für die boomende Wirtschaft ist vor allem die Industrie. Sie macht 23 Prozent der deutschen Wertschöpfung aus. Kein anderes Land in der EU hat einen so großen Industrieanteil.

Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist das Segen und Fluch zugleich. Segen, weil der deutsche Maschinen- und Anlagenbau, die Automobil-, Chemie-, Stahl- Kupfer- und Aluminiumindustrie, der GreenTech-Sektor und viele Branchen mehr das deutsche Wirtschaftsmodell seit Jahrzehnten erfolgreich tragen. Fluch, weil das Land sich damit in einer gefährlichen Abhängigkeit befindet. Denn die Konkurrenz aus den USA und China wird vor allem in Bezug auf die Digitalisierung und die Entwicklung der KI, der künstlichen Intelligenz, immer größer.

Sorge vor dem Absturz

Derzeit erlebe die Welt eine „rasante Beschleunigung“ von Innovationen, so Altmaier. Bisherige Produktionsverfahren und ganze Industrien würden von neuen Technologien ersetzt. KI sei die größte Innovation seit der Erfindung der Dampfmaschine. „Wer diese Technologien beherrscht, der hat eine Chance, vorne mit dabei zu sein. Wer sie verpennt, wird eines Tages die verlängerte Werkbank anderer sein.“

Roboter werden zu Kollegen

Offenbar hat der Minister Angst, dass genau das in Deutschland eintreten könnte. „Es gibt Innovationen, die haben wir lange nicht ernst genommen und da hat der Staat das Recht und die Pflicht, unterstützend und flankierend zu helfen.“ Wie das aussehen könnte, hat Peter Altmaier in einer „Nationalen Industriestrategie 2030“ zusammengefasst. Auf 21 Seiten zeichnet er „Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik“ auf. Er erklärt, vor welchen Herausforderungen Deutschland steht, wie er die Ausgangslage sieht und wo er hin will.

Innovationen fördern

„Das Ziel besteht darin, gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft einen Beitrag zu leisten zur Sicherung und Wiedererlangung von wirtschaftlicher und technologischer Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Führerschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene in allen relevanten Bereichen“, formuliert Altmaier. Unternehmen sollen entlastet werden, beispielsweise bei Sozialabgaben und bei den Energiepreisen. Außerdem müsse der Staat Innovationen und die Ansiedlung von Schlüsseltechnologien in Deutschland und Europa stärker fördern.

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Auf längere Sicht soll der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung in Deutschland schrittweise auf 25 Prozent und in der EU auf 20 Prozent ausgebaut werden. Dieses Ziel müsse grundsätzlich „marktwirtschaftlich, privatwirtschaftlich und eigenverantwortlich“ erreicht werden, betont Altmaier. „Staatliches Handeln kann nur ausnahmsweise, nur vorübergehend und nur in Fällen von grundlegender Bedeutung in Betracht kommen, wenn sich alle anderen Optionen als unzureichend erwiesen haben.“ Doch genau das ist nach Ansicht von Altmaier der Fall.

Deutschland hat die Führung schon oft verspielt

Ob Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Computer-Elektronik oder Produktion von Kohlefaserwerkstoffen: Deutschland hatte schon oft einen technologischen Vorsprung, den es am Ende aber nicht nutzen konnte. „Im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind wir in der Forschung noch in guter Position. Bei der Kommerzialisierung praktischer Anwendungen besteht jedoch bereits erheblicher Nachholbedarf“, kritisiert Altmaier. Der Abstand zu den führenden Internet-Unternehmen scheine derzeit eher zu wachsen als zu schrumpfen. Kein deutsches Unternehmen investiere so viel in diesen Bereich wie jedes einzelne der großen US-Unternehmen.

Schlüsselbranche: Automobilproduktion, hier bei Porsche im Werk Leipzig

„Size matters“, betont der Minister. Wer nicht groß genug sei, um bedeutende Projekte zu realisieren und sich im internationalen Wettbewerb gegen große Konkurrenten zu behaupten, sei von einem bedeutenden und wachsenden Teil des Weltmarktes praktisch ausgeschlossen. Altmaier will deshalb heimische Branchengrößen wie Siemens, Thyssenkrupp, die Automobilhersteller oder die Deutsche Bank besonders in den Fokus nehmen und stärken.

Der Staat als Unternehmer?

Um die Zukunft der „Großen“ sichern, müssten Zusammenschlüsse und Übernahmen leichter möglich sein. Falls es Firmen mit Schlüsseltechnologien seien, sollten europäische Konkurrenten ermutigt werden zuzugreifen. Ein Seitenhieb auf die EU-Kommission, die derzeit über die geplante Fusion von Siemens und Alstom zum weltweit zweitgrößten Zughersteller berät und das wohl verbieten wird. In Ausnahmefällen will Altmaier ausländische Übernahmen durch eine Teilverstaatlichung verhindern können. Dafür schlägt er einen staatlichen Beteiligungsfonds vor.

Der Bundeswirtschaftsminister will seine Industriestrategie in den nächsten Monaten auf nationaler und internationaler Ebene diskutieren und zusammen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften weiterentwickeln. Es sei nur ein „erster Aufschlag“, der „weder Vollständigkeit noch ungeteilte Zustimmung“ beanspruche. Er sei von dem, was er geschrieben habe, dennoch überzeugt, so Altmaier. „Lesen Sie, das Papier ist mit viel Liebe geschrieben.“

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