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Wirtschaft - 07.12.2018

Smartphone und Nachhaltigkeit – geht das? Beim Shift-Phone schon!

Ländliches Deutschland statt Silicon Valley, Nachhaltigkeit statt Gewinn – Deutschlands erstes Smartphone-Unternehmen ist in vielerlei Hinsicht anders.

Auf den ersten Blick sieht das Shift-Telefon aus wie die meisten Smartphones heutzutage: ein schwarzes Gerät mit abgerundeten Kanten und einem Bildschirm, der einen Großteil der Vorderseite einnimmt. Schaut man sich das Smartphone aber näher an, offenbaren sich erste Unterschiede: Diskret auf der Rückseite des Telefons steht: „Warning: Smartphones can be time killers. There is no greater gift for you today than the next 24 hours. Use them wisely, people are more important than machines.“ Also sinngemäß: Smartphones können Ihre Zeit verschwenden. Es gibt kein größeres Geschenk als die nächsten 24 Stunden. Diese sollten Sie sinnvoll nutzen. Menschen sind wichtiger als Maschinen. 

Auch wenn das nach einem Marketing-Gag klingt, es sagt viel über die erste deutsche Smartphone-Firma aus. Denn bei ihr hat nicht der Gewinn oberste Priorität, obwohl sie sehr erfolgreich ist und schnell wächst. Das liegt zum großen Teil an den Gründern des Unternehmens: Zwei Brüder, die in einem kleinen Dorf im ländlichen Hessen leben.

Das nachhaltige Shift-Smartphone unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht so sehr von seinen Konkurrenten

T-Shirts, Hoodies, Turnschuhe und dicke Bärte. Carsten und Samuel Waldeck sehen nach Start-up Szene in Berlin oder San Francisco aus. Aber die beiden Gründer des Smartphone-Herstellers Shift kommen aus Falkenberg, einem kleinen Dorf im ländlichen Hessen. Hier sind sie aufgewachsen und haben ihre Firmenzentrale in einer umgebauten Scheune eingerichtet. Und das ist wahrscheinlich die am wenigsten ungewöhnliche Sache in ihrem Geschäft.

Mehr dazu: Deutscher Umweltpreis fürs „Fairphone“

Arbeiten für Nachhaltigkeit und soziales Engagement

„Wir sind gerade dabei, eine Stiftung zu gründen. Sobald die steht, werden die Anteile in diese Stiftung überführt und dann haben wir keinen Zugriff mehr darauf und könnten uns auch niemals mehr Gewinne ausschütten,“ sagt Carsten Waldeck.

Und wie viel Gehalt bezahlt das Unternehmen seinem Mitgründer? „In meinem Fall sind es etwas weniger als 1500 Euro im Monat – netto“, so Carsten Waldeck. Damit liegt er nach eigener Einschätzung bei Shift irgendwo in der Mitte der Gehälter.

Die „Väter“ des deutschen Shift-Smartphones: Carsten Waldeck (rechts) und Samuel Waldeck

Bei anderen Gehältern ist man großzügiger. In so einem Handy von Shift steckt viel Handarbeit. Der größte Teil, nämlich rund 80 Prozent, ist für die Endmontage der Geräte nötig. Die wird derzeit in China gemacht. Aber nicht, weil dort die Arbeitskosten niedriger sind. Die Mitarbeiter in China würden ähnliche Löhne bekommen wie die in Deutschland, so Carsten Waldeck. „Aber es macht keinen Sinn, alle Teile einzeln nach Deutschland zu fliegen, sie aufwendig zu verpacken, damit sie nicht kaputt gehen und sie dann zurückzuschicken, wenn doch etwas kaputt geht. Das wäre ein unglaublicher Aufwand und wirklich schlecht für die Umwelt.“

Nach der Montage sind die Telefone dagegen kompakter, weniger empfindlich und leichter zu transportieren. Immer muss das aber nicht so bleiben. „Eines unserer mittelfristigen Ziele ist es immer, die Endmontage in die Märkte zu verlagern, in denen wir unsere Telefone verkaufen“, sagt Carsten Waldeck.

Bei ersten deutschen Smartphone-Hersteller Shift wird nicht nur gearbeitet, um den Gewinn zu maximieren

Der Sinn wird maximiert – nicht der Gewinn

„Für mich ist das der Unterschied zwischen Gewinnmaximierung und Sinnmaximierung,“ sagt Samuel Waldeck, „und wir merken ganz oft, dass es total gut tut, eher nach einer Sinnmaximierung zu streben als nach einer Gewinnmaximierung, auch wenn wir natürlich wollen, dass unser Unternehmen gesund da steht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass das miteinander einhergehen muss.“  

Auch wenn sie sich eine bescheidene Bezahlung gönnen und eine Stiftung werden wollen – trotzdem wissen die Waldecks natürlich, dass sie Geld brauchen, damit ihr Geschäft floriert. Derzeit haben sie ein Betriebskapital von rund einer Million Euro. Das möchten sie auf zwei oder drei Millionen Euro erhöhen, um Komponenten in großen Mengen zu kaufen und den chronischen Mangel an verfügbaren Shift-Handys zu reduzieren.

Derzeit finanzieren Vorbestellungen für Telefone weitgehend die Herstellung der Geräte. Das ist zwar eine sehr sichere Art, Geschäfte zu machen, denn wenn die Telefone fertig sind, sind sie bereits verkauft. Dafür müssen die Kunden aber fünf bis acht Wochen auf ihre Telefone warten – ein ziemliches Hindernis in einer Welt, in der Bedürfnisse meist sofort befriedigt werden.

Nachhaltigkeit hat Priorität

Aber das lange Warten kann sich lohnen. So sind Shift-Telefone beispielsweise modular aufgebaut. Kaputte Teile können damit leicht ausgetauscht und bei Bedarf aufgerüstet werden.

Einen Teil des Preises bekommt der Besitzer zurück, wenn er das Gerät am Ende seines Lebenszyklus wieder beim Hersteller abgibt. So kann Shift die Komponenten recyceln und sie landen nicht irgendwo auf einer Deponie.

Wenn es nur darum geht, sich ein neueres Modell anzuschaffen, nimmt Shift auch die Handys zurück und gewährt einen Rabatt auf den Kauf eines neuen Shift-Handys. Das alte Telefon wird dann gegebenenfalls repariert und weiterverkauft. So soll jedes Handy so lange wie möglich benutzt werden.

Wachsen ja, aber anders

Trotz langer Wartezeit – die Nachfrage nach Shift-Handys ist groß. Da wäre es eigentlich ein logischer Schritt, externe Investoren ins Boot zu holen, um so schnell Kapital zu beschaffen. Für die Waldecks ist das keine Option.

„Mit herkömmlichen Investments kommen ja immer auch Abhängigkeiten,“ sagt Carsten Waldeck. Für ihn und seinen Bruder ist das Risiko, dass ein Investor ihre Vision nicht teilen könnte, schlicht zu groß. „Uns ist wirklich wichtig, in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen,“ meint Samuel Waldeck. „Das ist uns wichtiger als Geld“. Trotzdem wollen sie auch wachsen. Nur so, wie sie alles andere auch machen: anders.

„Also wir hätten am Anfang nicht gedacht, dass es Leute gibt, die so verrückt sind, dass sie tatsächlich zustimmen, sich keine Gewinne auszuschütten und das quasi alles in nachhaltige und soziale Projekte zurückzugeben,“ erzählt Carsten Waldeck. „Aber es hat funktioniert.“

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