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Wirtschaft - 24.01.2019

Sierens China: Keine Transparenz

Mit der Verhaftung von Huawei-Top-Managerin Meng Wanzhou wenden die USA Recht sehr selektiv an. Aber mit der Verhaftung von Kanadiern in China schadet Peking dem Image Chinas in der Welt noch mehr, meint Frank Sieren.

Der Kanadier Robert Schellenberg vor dem Gericht, das ihn am 14. Januar zum Tod verurteilte

Was ist, wenn Deutschland und China in einen Konflikt geraten? Welcher Deutsche wäre dann der Erste? Diese Frage stellen sich Deutsche inzwischen schon in Peking, nachdem zwei Kanadier verhaftet wurden, offensichtlich um Druck auf die kanadische Regierung auszuüben, die wiederum die Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou auf Druck der USA festgenommen hat.

Michael Kovrig (li.) und Michael Spavor sitzen seit Wochen in chinesischer Haft

Während Meng inzwischen das Gefängnis verlassen durfte und unter Hausarrest in ihrem eigenen Haus steht, sitzen Michael Kovrig, ein früherer Diplomat und Mitarbeiter einer Nicht-Regierungsorganisation, sowie der Nordkorea-Berater Michael Spavor seit Wochen in einem chinesischen Gefängnis. Bis heute weiß die Öffentlichkeit nicht genau, was ihnen vorgeworfen wird. Sie seien in Aktivitäten verwickelt, „die die nationale Sicherheit gefährden“, hieß es offiziell.

Der Rechtsstaat als politisches Instrument

Mitte Januar traf es noch einen weiteren Kanadier: Ein chinesisches Gericht verurteilte Robert Schellenberg wegen Drogenschmuggel zum Tode. Zwar ist Schellenberg nicht der erste Ausländer, der in China wegen Drogen-Verstößen mit dem Tod bestraft wird, die Umstände seines Verfahrens sind aber dennoch besondere: Ende 2014 wurde der heute 36-Jährige mit 222 Kilogramm Methamphetamin festgenommen. In einem zweieinhalb Jahre dauernden Gerichtsverfahren verurteilte man ihn zu 15 Jahren Haft. Im Dezember, kurz nach der Festnahme Mengs, wurde das Verfahren plötzlich wieder aufgenommen. Das Todesurteil erging nach nur einem Verhandlungstag – und das, obwohl laut Schellenbergs Anwalt keine neuen Beweise vorgelegt wurden. Hier wird auch für diejenigen, die sich nicht mit dem Thema beschäftigen, deutlich: Der chinesische Rechtsstaat ist bis heute in starkem Maße ein politisches Instrument.

Mit ihrer Verhaftung fing alles an: Meng Wanzhou

Kein Zweifel: Die Amerikaner haben den Konflikt angefangen. Die Verhaftung der 46-jährigen Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei ist nicht nur bei Rechtswissenschaftlern aus dem Obama-Lager umstritten, sondern auch international. Darf ein Land Gesetze beschließen, über die es keinen internationalen Konsens gibt, die aber andere souveräne Staaten betreffen? Und darf ein Land dann Ausländer, die sich nicht solch ein Gesetz halten, mit einem internationalen Haftbefehl in anderen Ländern festnehmen lassen? Sehr zugespitzt formuliert wäre das etwa so, wie wenn Washington verbieten würde, auf iPhones Lieder von ABBA zu hören. Mit dem Kauf eines Smartphones müsste man diesem Verzicht zustimmen. Die US-Justiz könnte dann Menschen, die sich nicht an das Verbot halten, im Ausland verhaften lassen.

Weil die Kandier sich zum willigen Vollstrecker dieser Rechtspraxis gemacht haben, hat das Land seinen Ruf als der sicherster Hafen im Westen für Chinesen nun auf einen Schlag verloren. Viele Chinesen profitierten in den vergangenen 20 Jahren von Kanadas freundlichen Kapitalgesetzen und dem vergleichsweise offenen Immobilienmarkt. Mandarin oder kantonesisch sprechendes Servicepersonal ist heute in den großen Städten keine Besonderheit mehr. Banken, Bauunternehmer und sogar Krankenhäuser haben sich auf die Kundschaft aus Fernost eingestellt. Die Chinesen sind ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden. Die zweite Generation der chinesischen Diaspora stellt ihren Wohlstand in Vancouver heute so sorglos zur Schau, dass ihnen mit „Ultra Rich Asian Girls“ sogar eine eigene Reality Show gewidmet wurde. Dieses positive Bild hat Kanada nun zerstört.

Kanadische Produkte in China weiter angesagt

DW-Kolumnist Frank Sieren

Dennoch ist das, was in Kanada passiert, ein großer Unterschied zu dem, was Peking sich leistet. Es mag empörend sein, wie mit der Tochter des Huawei-Chefs umgegangen wird – aber es passiert in einem rechtsstaatlich transparenten Umfeld. Das kann man von den Verfahren in China nicht behaupten. Da kann die Sprecherin des Außenministeriums noch so oft fordern, „den Rechtsstaat und Chinas juristische Souveränität zu respektieren“. Man kann über viel diskutieren, über kulturelle Eigenheiten und dass man China Zeit lassen muss, sich zu entwickeln. Ein Rechtsstaat ohne Transparenz funktioniert jedoch nicht – auch in China nicht. Das wird nun einmal mehr offensichtlich.

Weder das eine noch das andere scheint den vielen Menschen in Peking und anderen Städten Chinas allzu wichtig zu sein. Die Verhaftung der Tochter des Huawei-Chefs ist ihnen zumindest nicht so wichtig, dass sie deswegen keine kanadischen Produkte mehr kaufen würden. Im Gegenteil: Die Canada-Goose-Jacken sind das angesagteste Kleidungsstück diesen Winter. Ende Dezember konnte Canada Goose ungehindert seinen ersten Flagship Store in Peking eröffnen. Noch drei Tage nach der Eröffnung haben die Kunden über eine Stunde in der Kälte gewartet, um in den Laden gelassen zu werden. Und das nicht nur in Peking, selbst in Hongkong, wo die Temperatur nur an wenigen Tagen im Jahr unter zehn Grad fällt, standen die Menschen vor dem Laden im IFC-Einkaufszentrum Schlange. Die Boykottaufrufe in den chinesischen sozialen und offiziellen Medien verhallten ungehört.

Lange Schlangen bei der Eröffnung des Canada Goose-Flagship Stores am 1. Januar in Peking

Auch aus Kanada hört man nicht, dass die Menschen chinesische Produkte boykottieren. Dass der Machtkampf zwischen den USA und China nicht willkürlich auf dem Rücken einzelner Menschen ausgetragen werden sollte, ist eine Forderung, die die breite Masse offensichtlich nicht sonderlich zu interessieren scheint. Das ist das Überraschendste an dieser Episode des Machtkampfes zwischen der aufsteigenden und der absteigenden Weltmacht.  

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit 25 Jahren in Peking.

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