Home Wirtschaft Herausforderung Meer: Griechenlands Kampf um eine Ressource
Wirtschaft - 26.03.2019

Herausforderung Meer: Griechenlands Kampf um eine Ressource

Das Meer in Griechenland ist mehr als nur Wasser und Strand. Es ist Kulturgut und Wirtschaftsraum. Langsam erkennen auch die Menschen: Diese Ressource gilt es zu schützen.

Es ist einer der ersten warmen Frühlingstage in Epanomi, einer Küstenstadt in der Nähe von Thessaloniki. Noch befinden sich nur vereinzelt Badegäste an dem gut vier Kilometer langen Sandstrand Potamos. Im Sommer tummeln sich hier tausende Besucher – und lassen ihren Müll zurück. Nicht nur hier, sondern an vielen anderen Stränden in Griechenland stellen Plastiktüten, Kaffeebecher, Bierdosen und Zigarettenstummel ein ernsthaftes Problem dar. „Jetzt geht es noch einigermaßen,“ sagt ein Angler, der regelmäßig kommt. „Aber kommen Sie mal im Sommer. Dann kann man sich vor Müll kaum retten.“

Viele Menschen in Griechenland wollen sich damit nicht mehr abfinden. Überall im Land organisieren Privatpersonen Aktionen zur Strandsäuberung, auch hier in Potamos. Etwa 50 Menschen haben sich am Wochenende zusammengefunden, um die Küste von unliebsamen Hinterlassenschaften zu befreien. „Der Staat und die Kommunen kümmern sich nicht um das Müllproblem. Es gibt viel zu wenige Mülleimer und oft werden diese nicht geleert,“ beklagt eine Mutter, die mit ihren Kindern gekommen ist.

Patriotismus mit Nachhaltigkeitsfaktor

Immer mehr Menschen in Griechenland wollen sich aktiv beteiligen an der Bewahrung der Natur. Damit unterstützen sie einen neuen Trend, der derzeit auf den Social Media Kanälen Konjunktur hat. Unter Hashtags wie #beachcleanup oder #trashtag machen Menschen ihren Einsatz gegen die Vermüllung der Umwelt publik. Zu ihnen gehören auch Marios und Kristina Bacharis. Sie sind die Organisatoren des sogenannten Beachcleanings in Epanomi. Marios ist in Berlin als Kind griechischer Eltern geboren. Seit zwei Jahren lebt er mit seiner Frau und seinen Kindern in Thessaloniki. Er ist gern in der Heimat seiner Eltern. Doch gerade das mangelnde Umweltbewusstsein bereitet ihm Kopfzerbrechen: „Viele Menschen hier sind sehr bequem. Ich glaube, man erwartet viel vom Staat und ist nicht bereit, selbst etwas zu tun. Man will, dass das eigene Umfeld schön ist. Was darüber hinaus passiert, ist für viele hier einfach Angelegenheit der Kommune.“

Die Initiative iSea Thessaloniki sensibilisiert die Gesellschaft für einen besseren Umgang mit dem Meer.

Für Marios und seine Frau ist diese Mentalität nur schwer mit dem Heimatstolz der Griechen vereinbar. Auch sie lieben das Land und die einzigartige Natur. Doch dass Hunderttausende gegen die Einigung im Namensstreit mit Nachbarland Nord-Mazedonien auf die Straße gehen, sich zum Beachcleaning aber nur 100 zusammenfinden, ist ihnen ein Rätsel. Auch deswegen freuen sie sich, dass immer mehr Menschen ihrem Aufruf folgen und ihren freien Tag mit der Entmüllung der heimischen Strände verbringen.

Umweltschutz und Demokratie

Ioannis Giovos, Mitarbeiter der Meeresschutzinitiative iSea in Thessaloniki, freut sich über derlei Aktionen. „Es geht hier nicht nur um Umweltschutz, sondern auch darum, Verantwortung als Bürger zu übernehmen. In Griechenland sind wir durch unsere Geschichte per se gegen den Staat oder die Staatsmacht. Aber das muss aufhören, damit sich Dinge verbessern.“

Diese Mentalität spiegele sich auch im Umgang mit dem Meer. Zwar habe es kulturell einen hohen Stellenwert. Doch es sei ein Balanceakt zwischen Liebe und Gewohnheit, gerade wenn es um Umweltschutz geht, meint sein Kollege Nikos Doumpas: „Die Griechen lieben das Meer, aber es ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Sie halten es für gegeben, dass man in sauberen Gewässern baden kann.“ Aber ihren Müll lassen sie dennoch am Strand liegen. Aus den Augen, aus dem Sinn? Um dieser Mentalität entgegenzuwirken, organisiert iSea Bildungsprogramme, mit denen man vor allem junge Menschen für aktiven Umweltschutz sensibilisieren will.

Denn trotz der auch im internationalen Vergleich hohen Wasserqualität in Griechenland, stellen gerade Plastikmüll und Abwasser ein massives Problem für griechische Gewässer dar. Europäische Gesetze hätten ein wenig Verbesserung gebracht, sagt Giovos. Doch die Wegwerfmentalität lasse sich durch Gesetze eben nur bedingt kontrollieren. Da sei vor allem die persönliche Verantwortung gefragt. „In Griechenland herrscht noch bei vielen die Meinung vor, dass das bisschen Müll doch nichts ausmacht. Sie schieben die Verantwortung auf große Firmen oder die Politik.“ Ein Mentalitätswechsel aber brauche Zeit.

Das Meer als Wirtschaftsraum

Auch Stella Kyvelou wünscht sich einen sorgsameren Umgang mit dem Meer. Die Professorin für Wirtschaft an der Athener Panteion-Universität beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Meer als Ressource. Sie unterstützt die Initiative ‘Blaues Wachstum‘ , das 2012 von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde, um die europäischen Meere als Möglichkeit für Wachstum und Beschäftigung zu nutzen. Über 16.000 Küstenkilometer gebe es in Griechenland. Eigentlich müsse das Land Vorreiter sein in der Entwicklung nachhaltiger Strategien zur  Erschließung dieser Ressource, fordert Kyvelou.

In Griechenland gibt es immer mehr Bürger, die selbst die Strände säubern.

„Für die griechische Wirtschaft wird die maritime Raumplanung immer wichtiger, da sie direkt mit der Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit wichtiger Sektoren verbunden ist: durch Nutzung von Energiequellen, durch Unterwasserkabel und Pipelines zur Energieversorgung nicht nur Griechenland, sondern der gesamten EU.“ Hinzu kämen der Ausbau von Küstenorten als Produktionsstätten, die Entwicklung von Tourismus und Förderung wertvoller Bodenschätze, wie beispielsweise Erdgas, das man in Massen vor der Küste Zyperns vermutet. „Eine Pipeline von der zyprischen Küste durch das Ionische Meer bis nach Kontinentaleuropa wäre das Ende der Abhängigkeit vom Gas aus Russland“, erklärt Kyvelou.

Um all diese Ressourcen zu nutzen, bedürfe es aber eines effizienten Managements in Form von „maritimer Raumplanung“. Dies aber scheitere häufig an der mangelhaften Kooperation der zuständigen Behörden. Ministerien und Interessengruppen stünden miteinander in Konflikt. Dabei sei das Meer eine Herausforderung, die weit über die Landesinteressen hinausgehe – gerade auch hinsichtlich der andauernden Konflikte mit der Türkei. Es gehe um gemeinsame Verantwortung – politisch, wirtschaftlich und ökologisch: „Das Meer eint und trennt uns zugleich. Es schafft Synergien und Konflikte.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Handelskrieg bremst Chinas Wirtschaftswachstum

Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nicht in Sicht. Die chinesis…