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Wirtschaft - 20.03.2019

G20: Kampf gegen Egoismen

Klimakrise, Armut, Terror und Gewalt – drängende Probleme können nur gemeinsam gelöst werden. Doch immer mehr Länder scheren aus. Was bedeutet das für Zusammenschlüsse wie die G20? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

US-Präsident Donald Trump hat es mit „America first“ vorgemacht. Inzwischen stellen immer mehr Länder rücksichtslos die eigenen Interessen in den Mittelpunkt des politischen und ökonomischen Handelns. „Die Titanic sinkt und wir haben nur ein paar Boote auf dem Wasser. Da werden die Instinkte wach und die Ellenbogen ausgefahren“, erklärt es bildlich Christian Kastrop, zuletzt bei der OECD in Paris, jetzt Direktor bei der Bertelsmann Stiftung.

Eine Einschätzung, die sich wie ein roter Faden durch den zweitägigen Global Solutions Summit in Berlin zog. Eine Konferenz mit 1600 Teilnehmern aus 120 Ländern, die Anregungen und Ideen für die G20 liefern will, den Zusammenschluss der wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der Welt. Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker treffen sich auf dem Global Solutions Summit, der nunmehr zum dritten Mal stattfand. Doch noch nie war die Stimmung derart pessimistisch.

Misstrauen und Zweifel nehmen zu

Die politischen Probleme seien im vergangenen Jahr nicht weniger geworden, so Dennis Snower, Präsident des Global Solutions Summits. Weltweit seien die Enttäuschung über die liberale Demokratie und die Kapitalismuskritik weiter gestiegen. Überall wachse Misstrauen. Nicht nur Regierungen gegenüber, sondern auch  Parteien, internationalen Institutionen, Unternehmen und Medien. Selbst die Botschaften von Nichtregierungsorganisationen würden angezweifelt.

Allerdings nicht ohne Grund, das machte Snower ungeschönt deutlich. „Tragisch gering“ sei das, was die Staatengemeinschaft auf den Weg bringe. Zu wenig gehe es voran beim Kampf gegen den Klimawandel, beim Eindämmen protektionistischen Drucks, beim Aufbau eines Weltregelwerks für Cybersecurity, bei den Antworten auf humanitäre Albträume und stärker werdende „Failed States“, beim Umgang mit Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und vielen anderen Herausforderungen.

Anfangs funktionierten die G20

Wer wüsste das besser als Angela Merkel. Seit 14 Jahren ist sie Bundeskanzlerin und hat die Entwicklung der G20 von einem rein ökonomischen zu einem auch politischen Gremium mit vorangetrieben. „Ich weiß noch genau, wie ich mit US-Präsident George Bush telefoniert habe und wir uns einig waren, dass es eine internationale Antwort auf die Finanzkrise braucht.“ Damals, 2008, hätten sich alle darauf geeinigt, nicht nur aus der Krise zu lernen, sondern auch die unmittelbaren Folgen zu bekämpfen. „China hat eine große Rolle gespielt mit seinen Konjunkturprogrammen; das hat geholfen, dass die Weltwirtschaft nicht immer weiter abgerutscht ist.“

Brexit, 5G, Bankenfusion – auch dazu wurde Merkel auf der Konferenz befragt

Nur ist ein Jahrzehnt später von so viel Einigkeit kaum mehr etwas zu spüren. Merkel findet das „traurig“. Zwar arbeiten die G20 als Gemeinschaft weiter. Nach Argentinien hat in diesem Jahr Japan die Präsidentschaft inne, Ende Juni wird in Osaka das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs stattfinden. Auf der Agenda stehen Themen wie die Zukunft der Arbeit, Bildung im digitalen Zeitalter, nachhaltige Entwicklung, Infrastruktur-Finanzierung, Handel, Klimawandel, sozialer Zusammenhalt, Zukunft der Politik, Kooperation mit Afrika, alternde Gesellschaft und mehr.

Der Blick über den Tellerrand ist wichtig

Die Bundeskanzlerin ist davon überzeugt, dass die Staatengemeinschaft auf diesen Gebieten nur gemeinsam Fortschritte machen kann. Die internationale Zusammenarbeit sei zwar „mühselig und unvollkommen“ und bei manchem mache sich das Gefühl breit, dass man mehr bewegen könne, wenn man nur auf die eigenen Interessen blicke, sagt Merkel. Das aber sei der falsche Weg. „Die Themen sind global und können nach meiner festen Auffassung nur gelöst werden, wenn wir die Welt als Verantwortungsgemeinschaft sehen.“

Merkel ist und bleibt eine Verfechterin des Multilateralismus. Sie wird nicht müde, die Vor- und Nachteile zu erklären. Beispiel: Die Welthandelsorganisation. In der WTO hätte die „Malaise“ nicht erst mit Donald Trump begonnen. Das Ziel, die Welt von Handelshemmnissen und Zöllen zu befreien, stockt seit Jahren. Stattdessen gibt es inzwischen jede Menge bilateraler Handelsabkommen. „Die sind zwar gut, aber im Grunde genommen nur die zweitbeste Lösung“, so Merkel. Alle seien sich einig, dass die WTO reformiert werden müsse. Wie, das sei aber wiederum unklar.

Während über eine Reform gestritten wird, haben die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse zugenommen, also beispielsweise Umweltauflagen, Gesundheitsschutz oder unterschiedliche technische Normen. Dieser Bereich sei für den Welthandel inzwischen weitaus hemmender als Zölle, stellt die Kanzlerin fest.

Huawei und der Streit um das 5G-Netz

Doch ist Deutschland vollkommen frei von Protektionismus und Abschottung? In der Diskussion über den Aufbau des ultraschnellen 5G-Mobilfunknetzes wird aktuell darüber gestritten, ob der chinesische Huawei-Konzern mit von der Partie sein darf. Sicherheitsdienste warnen vor möglicher Spionage oder Cyber-Attacken durch einen Einsatz chinesischer Produkte. Auch die USA machen Druck. Huawei weist die Vorwürfe zurück.

Merkel sagt, sie halte nicht davon, „einen Teilnehmer, weil er aus einem bestimmten Land kommt, per se auszuschließen“. Die Bundesregierung habe sich dafür entschieden, statt eines Ausschlusses lieber Anforderungen für die eingesetzte Technik zu formulieren. „Wir sollten jedem eine Chance geben.“ Zugleich dürfe man aber auch nicht blauäugig sein, weil in China ganz andere Gesetze als in Europa gelten würden.

Verfechterin des Multilateralismus

Wie lange die deutsche Regierungschefin noch im Amt bleiben wird, ist unklar. Sicher aber ist, dass sie sich bis zum Ende für die internationale Zusammenarbeit einsetzen wird. „Wir müssen die Stimme des Multilateralismus so stark wir möglich machen, aber das wird die Politik alleine nicht können, dazu bedarf es einer starken Zivilgesellschaft“, so Merkel. Alleingänge hätten keine Zukunft und würden am Ende nur mehr Gewalt mit sich bringen.

„Global denken und lokal handeln“, so lautet Merkels politische Empfehlung. Eine Meinung, die auch der Ökonom Dennis Snower vertritt. „Die Integration der Weltwirtschaft und unser Fußabdruck auf die globale Umwelt verlangt die Entwicklung moralischer Narrative, die uns dazu verleiten, auf transnationaler, manchmal globaler Ebene zu kooperieren, während wir gleichzeitig schmaleren Einheiten angehören, die lokale oder nationale Herausforderungen bearbeiten“, formuliert er. Zudem müsse politischer, ökonomischer und technischer Fortschritt wieder mit sozialem Fortschritt verknüpft werden. Das sei geradezu unabdingbar.

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