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Welt - 29.11.2018

Kalte Maschine oder Spaßmotor

Können humanoide Roboter den Pflegenotstand in Altenwohnheimen lindern? Bei einem Aufeinandertreffen von Mensch und Maschine überwiegt die Skepsis.

Ein interaktives Roboter-Quiz statt Fernsehen – warum nicht?  

Beim ersten Blick auf Pepper wird gleich klar, dass dieser schmächtige Roboter keine Menschen aus dem Bett heben, sie waschen oder anziehen könnte. „Mein Name ist Pepper, ich bin 1,20 Meter groß und wiege 28 Kilogramm“, stellt sich die programmierte Maschine aus glänzend weißem Kunststoff vor. Peppers Augen leuchten und blinzeln, seine kleinen Arme und zarten Hände gestikulieren, wenn er spricht. Und doch folgen die Bewohnerinnen und Bewohner des Frankfurter Altenwohnheims den ersten Worten des ungewöhnlichen Gastes eher ungerührt, teils mit argwöhnischer Miene. Was hat dieser Besuch nur zu bedeuten?

Pepper solle die Menschen unterhalten und zum Lachen bringen, erklärt Professorin Barbara Klein. Dafür hätten sie und ihre Studenten von der Frankfurt University of Applied Science den humanoiden Roboter und sein weibliches Pendant Peppa ins August-Stunz-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt gebracht. Mehr als 200 überwiegend alte, zum Teil demente Menschen werden dort stationär gepflegt. „Wir schauen mal, ob wir hier neue Kollegen vor uns haben, oder ob das eher nichts für uns ist“, sagt Zentrumsleiterin Sabine Kunz in Ihrer Begrüßung. Ob Roboter eine Hilfe in der hierzulande heillos unterbesetzten Altenpflege sind oder gar Menschen ersetzen können, diese Frage schwingt mit. 30000 offenen Stellen, so etwas verlangt nach Antworten.

40 Bewohner und zwei Roboter

Rund 40 Bewohnerinnen und Bewohner sind zu der Präsentation gekommen, dazu zahlreiche Pflegekräfte, einige sogar aus anderen Einrichtungen. Geboten bekommen sie bei Mineralwasser und Kaffee von den zwei Robotern zunächst eine Art Leistungsschau. Rhythmisch bewegen Pepper und Peppa zu Popmusik ihre Arme und Köpfe, zeigen Tanzposen. Erste Lacher. Was folgt, ist ein Gymnastikprogramm, bei dem die Roboter verschiedene Bewegungen der Arme vorgeben. Manche Bewohner machen mit, andere lassen ihre Arme verschränkt. „Danke für die Teilnahme“, sagt Pepper. Das Programm endet mit einem Bilderquiz auf dem Touchpad, das die Roboter auf der Brust haben. So richtig springt der Funke aber auch dabei nicht über.

Stattdessen gibt es Kritik. Schon das automatisierte Dankeschön zeige, was das Problem der Roboter im Zusammenspiel mit Menschen sei, sagt Daniela Wolf, Dozentin in der Altenpflege-Ausbildung: „Das ist keine echte Empathie, keine Anerkennung dafür, dass es heute besser geklappt hat als gestern“. Die Wärme und Zuneigung eines Menschen sei durch keinen Roboter zu ersetzen. Ein Bewohner schiebt seinen Rollstuhl durch den Saal Richtung Tür und bemerkt süffisant: „Für mich auf Toilette gehen kann er auch noch nicht“.

Welche Aufgaben Roboter wie Pepper heute sinnvollerweise schon in einer Pflegeeinrichtung übernehmen können, entscheidet sich schon jetzt im Einzelfall an der Offenheit von Heimleitung und Bewohnern. Ein interaktives Roboter-Quiz statt Fernsehen – warum nicht?

Schwieriger werden die rechtlichen und ethischen Fragen, wenn der technische Fortschritt eines Tages Maschinen hervorbringt, die weitaus komplexere Tätigkeiten übernehmen können. „Pflege ist eine verantwortungsvolle und soziale Aufgabe, die nur ein Mensch erbringen kann“, sagt Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung. Er finde es unverantwortlich zu meinen, dass künstliche Intelligenz eines Tages pflegebedürftige Menschen versorgen sollte. Irene Maier, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, räumt ein: „Roboter können Pflegekräfte entlasten, indem sie Material transportieren oder für Unterhaltung sorgen“. Was allerdings für den zu pflegenden Menschen gut sei, dürften nie Algorithmen entscheiden.

Pepper und Pappa als Antänzer für Rammstein?

Ein alter Herr, der mit seinem Rollator da ist und nur noch einen Arm hat, meldet sich zu Wort: „Frau Kunz, ich hoffe, dass Sie weiterhin mit uns die Gymnastik machen“. Und nicht der Roboter, versteht sich. Altenheimleiterin Kunz bedankt sich höflich. Sie hat die skeptische, teils negative Stimmung unter den Gästen aus einer Ecke des Saals beobachtet und versucht nun gegenzusteuern. „Ich möchte Pepper und Peppa gerne einladen zu unserer nächsten Disko“, ruft sie mit feierlicher Stimme. „Bei uns läuft nämlich nicht nur Zarah Leander, sondern auch Rammstein, und wir bräuchten ein paar gute Antänzer“.

Wenn Pflegeeinrichtungen sich dauerhaft die Dienste eines humanoiden Roboters sichern wollen, kostet ein Modell wie Pepper 20000 Euro. Hinzu kommen Programmierkosten, um den Roboter an die Vorlieben und Bedürfnisse der Bewohner anzupassen. „Eine Menge Geld, für die man auch einen Menschen einstellen kann“, sagt Pflegedozentin Daniela Wolf. Heimleiterin Sabine Kunz will nicht ausschließen, dass ihre Mitarbeiter früher oder später Unterstützung von einem Roboter erhalten. Sollte Pepper oder ein Nachfolger einen Menschen – dessen Einverständnis vorausgesetzt – eines Tages waschen können, hat das laut Kunz sogar Vorteile: „Es kann einem pflegebedürftigen Menschen dabei helfen, seine Intimität zu wahren“.

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