Home Politik Wie Landespolitiker in Rheinland-Pfalz mit Hass und Drohungen umgehen
Politik - 12.07.2019

Wie Landespolitiker in Rheinland-Pfalz mit Hass und Drohungen umgehen

Hass und Hetze gegen Politiker haben zugenommen. Auch Landespolitiker in Rheinland-Pfalz werden immer wieder bedroht, beleidigt und angegriffen. Wir schildern einige Fälle.

Jetzt teilen:

MAINZ – „Dir hat man doch ins Gehirn geschissen. Noch sind wir hier die Herrenrasse. Du dumme Sau gehörst an der nächsten Laterne aufgehängt“, heißt es in der Mail an Anne Spiegel. Ein anderer Schreiber droht der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin mit Vergewaltigung. Unter „PS.“ ergänzt er: „Auch Deine Rübe wird runtergemacht.“ Ein Mann schlägt vor, die Ministerin mit einem Laser zu blenden, damit sie erblindet. „Dann kann sie zu dem anderen Krüppel Malu Dreyer endlich auf ‚Augenhöhe‘ kommen.“

Das sind leider keine Ausnahmefälle. Spiegel lässt sich jede Zuschrift dieser Art von ihren Mitarbeitern vorlegen. Sie will wissen, mit welch kranken Hirnen da draußen sie es zu tun hat. Seit etwa zwei Jahren hat die grüne Ministerin Personenschutz. Drei Bodyguards begleiten die 38-Jährige auf Schritt und Tritt, und sei es, wenn sie von einer Landtagssitzung mal kurz in eine Drogerie muss. Spiegel sagt, die ständigen Bedrohungen belasteten sie. Sensibler, wachsamer sei sie geworden, gerade nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Als Integrationsministerin verantwortet die Grüne die Themen Asyl und Flüchtlinge. Als in Kandel ein junges Mädchen von einem Afghanen ermordet wurde, nahmen die Drohungen zu, berichtet Spiegel. Sie macht sich keine Illusionen, dass dies nachlassen werde, sagt aber auch: „Es ist überhaupt keine Option, aufzugeben.“ Und weiter: „Ich habe eine Haltung, zu der stehe ich.“ Spiegel gilt als jemand, der kämpft.

Mainz, Ende Mai. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier will mit seiner Lebensgefährtin zum Pressefest der Stadt Mainz. Ein polizeibekannter Antifa-Aktivist, Kandidat von „Die Partei“ für den Stadtrat, erkennt den Politiker, baut sich vor diesem auf, tituliert ihn als „Arschloch“, schubst ihn, droht ihm mit Prügel. Das Paar geht weiter. Die Telefonkette der Antifa funktioniert bestens, in wenigen Minuten sind fast ein Dutzend Personen hinter Münzenmaier her, der sich mit Freundin in einem Bio-Supermarkt verschanzt und die Polizei ruft. Diese bestätigt auf Anfrage, dass mittlerweile mehrere Strafanzeigen vorliegen: Von Münzenmaier, auch von der Gegenseite.

217 Straftaten bundesweit im ersten Quartal

Spiegel und Münzenmaier könnten von ihrer politischen Ausrichtung nicht unterschiedlicher sein. Doch beide Beispiele zeigen, wie verroht die Sitten mittlerweile sind. In Zeitalter von Mails und Facebook sinkt die Hemmschwelle, und von verbalem Hass bis zu tatsächlichen Übergriffen ist es meist nicht weit. An Zeiten der RAF erinnere ihn die derzeitige Lage, verkündete Innenminister Roger Lewentz (SPD) unlängst. Seit dem Mord an Lübcke sei ein halbes Dutzend Bedrohungen gegen Kommunalpolitiker bekannt geworden.

Auch für den Bund gibt es Zahlen: Im ersten Quartal 2019 wurden nach Angaben der Bundesregierung 217 Straftaten im Bereich politische Gewalt gegen Parteien gemeldet. Davon seien 114 Straftaten gegen Mitglieder und Mandatsträger der AfD verübt worden. 21 Straftaten betrafen SPD-Politiker, 19 die Grünen, 16 die Union und neun die Linke. Auch bei den Anschlägen auf Parteigebäude liegt die AfD vorne: 41 von 103 gemeldeten Straftaten betrafen ihre Gebäude. Der Rest verteilt sich auf die anderen Parteien. Auch in Rheinland-Pfalz hatte es in den vergangenen Jahren Anschläge gegeben. So war das Auto der SPD-Landtagsabgeordneten Nina Klinkel in Brand gesteckt worden, im Wahlkreisbüro von Anna Köbberling wurde eine Scheibe eingeschlagen. Der Hass ist grenzenlos. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Martin Haller: „In den vergangenen Monaten mussten wir als SPD-Fraktion leider erleben, dass einzelne Abgeordnete online und offline Hassparolen, Beleidigungen und auch Drohungen ausgesetzt waren. Das Spektrum reicht dabei von anonymen Beleidigungen über öffentliche Verunglimpfungen bis hin zu hasserfüllten, persönlich vorgebrachten Drohungen. Diese Fälle nehmen wir als SPD-Fraktion sehr ernst und stehen mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen in engem Austausch. In einzelnen Fällen wurde Kontakt mit der Polizei aufgenommen und Sicherheitsvorkehrungen etwa im Wahlkreisbüro überprüft.“

Pöbeleien, Drohungen, Sachbeschädigung

Grüne, FDP und CDU im Landtag können derzeit nicht von aktuellen Drohungen und Angriffen berichten. Die AfD hingegen hat gesammelt: Sie berichtet von Pöbeleien und Beleidigungen („dreckige Nazischweine“) an Wahlkampfständen, Farbbeutelattacken und Einschüchterungsversuchen. Gastwirte seien vor AfD-Veranstaltungen telefonisch bedroht worden. Die Abgeordnete Sylvia Groß sagt, die Radschrauben ihres Autos seien in der Tiefgarage des Abgeordnetenhauses in Mainz gelockert worden. Es sind keine guten Zeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Handelskrieg bremst Chinas Wirtschaftswachstum

Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nicht in Sicht. Die chinesis…