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Politik - 09.01.2019

Trump will Demokraten Geld für den Mauerbau abpressen

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Washington (dpa) – Donald Trump ist fürs Poltern bekannt, doch dieses Mal gibt er sich präsidial: Zur Primetime am Dienstagabend (Ortszeit) wendet sich der US-Präsident vom Oval Office aus an die Amerikaner.

Neuneinhalb Minuten lang legt er noch einmal voller Pathos dar, warum die USA an der Grenze zu Mexiko aus seiner Sicht unbedingt ein Bollwerk brauchen. Bevor er vom Kongress nicht das Geld dafür bekommt, auch das macht er deutlich, will er die Haushaltssperre nicht beenden, die seit 18 Tagen Teile seiner Regierung lahmlegt. Der «Shutdown» in den USA könnte zum längsten der Geschichte werden.

Trump hat im Wahlkampf 2016 versprochen, dass die Mauer gebaut wird – und dass Mexiko sie bezahlt. Wenig überraschend: Mexiko denkt gar nicht daran. Deshalb fordert Trump nun vom Kongress – dem US-Parlament – 5,7 Milliarden Dollar für den Bau. Dafür braucht der Republikaner Stimmen der Demokraten. Die machen aber unmittelbar nach seiner TV-Ansprache klar, dass sie weiterhin nicht gewillt sind, die Mauer zu finanzieren. Trump wiederum weigert sich, ein Budgetgesetz zu unterzeichnen, in dem keine Mittel für den Bau enthalten sind.

Die Folge des Patts: Ein Ende des «Shutdowns» ist weiterhin nicht absehbar. Trump hat damit gedroht, die Haushaltssperre für die betroffenen Behörden zur Not über Jahre hinweg aufrecht zu erhalten – was kaum praktikabel erscheint, bislang dauerte der längste «Shutdown» in der US-Geschichte 21 Tage. Trump hat auch eine zweite Variante ins Spiel gebracht: Er könnte einen «Nationalen Notstand» ausrufen, sich damit selbst weitreichende Vollmachten erteilen und versuchen, die Mauer ohne Zustimmung durch den Kongress errichten zu lassen. Ob das vor Gericht Bestand hätte ist allerdings fraglich.

Trump will es daher zunächst weiter auf dem Verhandlungsweg versuchen. Bislang geben sich die Demokraten eisern. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, sagt nach seiner Rede: «Präsident Trump muss aufhören, das amerikanische Volk als Geisel zu halten, er muss aufhören, eine Krise zu fabrizieren, und er muss die Regierung wieder zum Laufen bringen.» Um den Demokraten entgegenzukommen, ist Trump inzwischen von einer Mauer aus Beton abgerückt – nun will er eine Barriere aus Stahl errichten lassen. Bislang hat dieser Schwenk die Demokraten nicht beeindruckt.

Trump argumentiert, Kriminelle und Terroristen kämen über die Südgrenze ebenso ins Land wie Drogen. Bei einer einstündigen Pressekonferenz am Montag sprachen Vizepräsident Mike Pence und Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen geschlagene 36 Mal von einer «Krise». Pence sagte, an der Grenze zu Mexiko würden inzwischen täglich 2000 Menschen wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen.

Zahlenangaben aus dem Weißen Haus sollte man mit Vorsicht begegnen, wie Faktenchecks von US-Medien immer wieder vor Augen führen. Wenn die Zahl stimmen sollte und man sie aufs Jahr hochrechnen würde – was wegen saisonaler Schwankungen kein belastbares Ergebnis liefern kann -, käme man theoretisch auf 730 000 Migranten. Das wären zwar mehr als in jedem Jahr seit 2008, wie aus Statistiken der Grenzschutzbehörde CBP hervorgeht – aber viel weniger als der Höchststand im Jahr 2000, als die Zahl bei mehr als 1,6 Millionen lag.

Trump hat inzwischen eine regelrechte PR-Offensive gestartet, um den Bau der Mauer durchzupeitschen. Dazu gehörte die TV-Ansprache aus dem Oval Office, an diesem Donnerstag will der Präsident außerdem an die Grenze reisen. Auch der Duktus hat sich geändert: Warnte Trump vor den Kongresswahlen im November noch vor einer «Invasion» durch Migranten aus Südamerika, so will er den Mauerbau nun auch als eine Art humanitäre Geste verkaufen. Das Weiße Haus argumentiert, Migranten würden durch das Bollwerk davon abgehalten, den gefährlichen Marsch nach Norden überhaupt erst anzutreten.

«Das ist eine humanitäre Krise. Eine Krise des Herzens und eine Krise der Seele», sagt Trump in seiner Fernsehansprache. «Das ist der Kreislauf des menschlichen Leids, von dem ich entschlossen bin, ihn zu beenden.» Dann zählt er Fälle auf, bei denen illegal Eingewanderte in den USA Menschen getötet haben. «Dutzende Familien» habe er getroffen, die Angehörige verloren hätten. «So traurig. So furchtbar», sagt Trump. «Wie viel amerikanisches Blut müssen wir noch vergießen, bevor der Kongress seine Arbeit macht?»

Mit jedem Tag, den der Mauerstreit und der «Shutdown» andauern, wächst der Druck auf Trump und den Kongress, eine Einigung zu finden. Für neun Ministerien und zahlreiche Behörden lief mit Anbruch des 22. Dezembers die Finanzierung aus. Was abstrakt klingt, hat Auswirkungen aufs Alltagsleben, weil viele Behörden nur im Notmodus oder gar nicht mehr funktionieren. Und für die betroffenen Regierungsmitarbeiter hat der «Shutdown» ganz konkrete Folgen – nämlich beim Gehalt.

Nach Regierungsangaben wurden rund 800 000 von ihnen entweder in den Zwangsurlaub geschickt oder sie müssen zunächst ohne Bezahlung weiterarbeiten. In letztere Kategorie fallen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, deren Arbeit als «essenziell» eingestuft wird, um das öffentliche Leben nicht zum Stillstand zu bringen – zum Beispiel Sicherheitskontrolleure an Flughäfen.

Normalerweise wird das Gehalt bei «Shutdowns» rückwirkend nachgezahlt. Für viele Amerikaner – die anders als die Deutschen kein Volk von Sparern sind – ist das trotzdem problematisch: Sie leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck. Die US-Notenbank berichtete im vergangenen Jahr, 40 Prozent der Amerikaner könnten eine unerwartete Ausgabe in Höhe von 400 Dollar (knapp 350 Euro) nicht stemmen, ohne sich Geld leihen oder Besitz verkaufen zu müssen.

In der Regel bekommen Regierungsmitarbeiter alle zwei Wochen einen Scheck, jeweils freitags. Ein Gehalt blieb schon aus, und ohne eine schnelle Einigung wird auch am kommenden Freitag kein Geld fließen.

Trump sagte am vergangenen Sonntag, er könne die Sorgen der Bundesangestellten «nachvollziehen», die nicht wüssten, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten. Das ist eine gewagte Aussage für Trump, dessen Vermögen das Magazin «Forbes» im vergangenen Jahr auf 3,1 Milliarden Dollar taxierte. Der Präsident sagte mit Blick auf die ausbleibenden Gehaltsschecks auch: «Ich bin sicher, dass die Menschen, die betroffen sind, Anpassungen vornehmen werden.» Gemeint ist: dass sie den Gürtel eben eine Weile enger schnallen.

Ein zwangsbeurlaubter Mitarbeiter des Justizministeriums, der nicht namentlich genannt werden will, sagt dazu: «Entschuldigen Sie meine Wortwahl, aber das ist Bullshit.» Trumps Drohung eines monate- oder gar jahrelangen «Shutdowns» sei «deprimierend». Die Betroffenen hätten Familien und laufende Zahlungsverpflichtungen, aber keine anderen Einkünfte. «Ich bin nicht ultraliberal, aber ich weiß nicht, wie Menschen ihm glauben können. Er lügt die ganze Zeit. Und er hat keine Ahnung davon, wie die Menschen leben.»

Während sich Trump und die Demokraten gegenseitig für den «Shutdown» verantwortlich machen, ist die Schuldfrage aus Sicht des Justizmitarbeiters «zu 100 Prozent» beantwortet. Weil Trump sein Versprechen nicht einhalten könne, Mexiko für die Mauer zur Kasse zu bitten, «tut er unschuldigen amerikanischen Steuerzahlern wie mir weh». Dass die Mauer etwas bringen werde, glaube er nicht. «Die Menschen werden andere Wege finden, um ins Land zu kommen.» Warum Trump so eisern an dem Bollwerk festhalte? «Er will eine Mauer, auf der eines Tages sein Name steht. Wie ein weiterer Trump-Tower.»

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