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Politik - 17.03.2019

Neuseelands Premierministerin: Schütze wollte weitermorden

Einen Tag nach dem Anschlag auf Moscheen in Christchurch ist das Entsetzen immer noch groß. Neuseelands Premierministerin nennt neue Details zu den Opfern – und kündigt rasche Konsequenzen an.

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Christchurch (dpa) – Der Todesschütze von Christchurch hat nach Regierungsangaben weitere Morde geplant. «Er hatte absolut die Absicht, seine Attacke fortzuführen», sagte Premierministerin Jacinda Ardern am Samstag bei einem Besuch in der neuseeländischen Großstadt.

Der mutmaßlich rechtsextremistische Täter hatte dort am Freitag in zwei Moscheen
49 Menschen erschossen, darunter mehrere Kinder. Nachdem er die zweite Moschee verlassen hatte, wurde er in seinem Auto von der Polizei gestoppt. Im Wagen wurden zwei weitere Feuerwaffen und Sprengstoff sichergestellt.

Ardern kam in Christchurch auch mit Vertretern der muslimischen Gemeinschaft zusammen. Vermutet wird,
dass es sich bei allen 49 Todesopfern um Muslime handelt. Darunter sind auch Flüchtlinge, die erst vor kurzem etwa aus Syrien nach Neuseeland gekommen waren.

Dem mutmaßlichen Täter, einem 28 Jahre alten Australier, wird vielfacher Mord zur Last gelegt. Er sitzt nun in einem Untersuchungsgefängnis. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen scheint er die Schüsse in den Moscheen alleine abgefeuert zu haben. Die Polizei wollte am Sonntagvormittag (Ortszeit/Samstag 21.30 Uhr MEZ) weitere Informationen mitteilen.

Als Reaktion auf den brutalsten Anschlag in der jüngeren Geschichte Neuseelands will die Regierung die Waffengesetze verschärfen. Ardern sprach abermals von einem «terroristischen Akt». Der Verdächtige, der seit mehreren Jahren in Neuseeland lebt, hatte einen Waffenschein. Er war auch Mitglied in einem Schützenverein.

Insgesamt 39 Menschen lagen am Samstag noch mit Schusswunden in verschiedenen Krankenhäusern der neuseeländischen Großstadt. Elf davon befanden sich in Intensivbehandlung. Ardern besuchte auch ein Flüchtlingsheim mit Muslimen. Dabei sagte sie: «Neuseeland ist in Trauer vereint.» Der Pazifikstaat mit knapp fünf Millionen Einwohnern blieb bislang von Terrorismus und Amokläufen weitgehend verschont.

Christchurch steht immer noch unter Schock. In der Nähe der Tatorte legten viele Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Insgesamt war es in der Stadt jedoch viel ruhiger als an normalen Samstagen. Viele Geschäfte blieben geschlossen. Mit etwa 50.000 Gläubigen – darunter viele Einwanderer aus Staaten wie Pakistan und Bangladesch – sind Muslime in Neuseeland eine Minderheit.

Nach bisherigem Ermittlungsstand drang der Täter zunächst in die Al-Nur-Moschee ein, in der sich mehr als 300 Menschen zum Freitagsgebet versammelt hatten. Dort schoss er mit mindestens zwei Schnellfeuerwaffen um sich und tötete 41 Menschen. Ardern zufolge hatte er die Waffen manipuliert, um die Schusskraft zu erhöhen. Anschließend fuhr er zu einer zweiten Moschee und brachte dort acht weitere Menschen um. Mit einer Helmkamera filmte er die Tat und übertrug sie live ins Internet. Das Video ist 17 Minuten lang.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte Teile der
Diskussion in den sozialen Netzwerken nach der Attacke, wo das Video von dem Anschlag im Netz vielfach geteilt wurde, obwohl die Plattformen es irgendwann gelöscht hatten. Das sei nichts anderes, «als unschuldige Menschen ein zweites Mal zu töten».

Nach Angaben der neuseeländischen Polizei vergingen vom ersten Alarm bis zur Festnahme 36 Minuten. Unklar blieb, ob zwei andere Verdächtige, die ebenfalls schon am Freitag festgenommen wurden, mit dem Australier in Kontakt standen.

Im Internet kursiert auch ein 74-seitiges «Manifest» mit rechtsextremen Parolen, das von dem Australier stammen soll. Die Ermittler bestätigten bislang allerdings nicht, dass er tatsächlich der Urheber des Schreibens ist.

Zu dem Gerichtstermin wurde der mutmaßliche Täter in Handschellen und weißer Häftlingskleidung vorgeführt. Dabei zeigte er das «Okay»-Zeichen in die Kameras, wie es in der englischsprachigen Welt verbreitet ist: Daumen und Zeigefinger zusammengehalten, die anderen Finger abgespreizt. Nach neuseeländischen Medienberichten äußerte er sich nicht zu den Vorwürfen. Der nächste Gerichtstermin ist am 5. April vorgesehen.

Die Zeitung «The Australian» (Samstag) berichtete, dass der ehemalige Fitness-Trainer schon früher merkwürdige Kommentare von sich gegeben habe. In einem Online-Eintrag von 2011 habe er über sich geschrieben: «Ich bin ein Monster der Willenskraft. Ich brauche nur ein Ziel.»

Als Konsequenz aus dem Anschlag verschärft Neuseeland das Waffenrecht. «Unsere Waffengesetze werden sich ändern», kündigte Ardern an. In dem Pazifikstaat darf man bislang nach einer Überprüfung durch die Behörden schon mit 16 Jahren Waffen besitzen. Dazu benötigt man einen Waffenschein, muss die Waffen aber nicht alle einzeln anmelden.

Balkanreisen des mutmaßlichen Täters legen ideologische Verbindungen nach Europa nahe. Das Video zeigt auf Waffen des Täters geschriebene Namen von Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen, darunter mehrere auf dem Balkan. Nach Angaben der bulgarischen Justiz war der Mann 2016 und 2018 unter anderem in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Bulgarien.

Quebec, London, Christchurch – Muslime und Moscheen werden immer häufiger zum Ziel von Rechtsradikalen.

QUEBEC, 2017: Während des Abendgebets erschießt ein 27 Jahre alter Kanadier sechs Muslime in einer Moschee. 2019 wird der als depressiv und rechtsradikal geltende Mann zu lebenslanger Haft verurteilt.

LONDON, 2016: Vor einer Moschee steuert ein 47-Jähriger aus Wales seinen Lieferwagen mit Absicht in eine Gruppe von Muslimen. Ein Opfer stirbt, es gibt mehrere Verletzte. Motiv des Rechtsradikalen: Hass auf Muslime. Das Urteil: lebenslänglich.

DRESDEN, 2016: Sprengsätze explodieren am Kongresszentrum der Stadt und an einer Moschee. Der dort wohnende Imam und seine Familie kommen mit dem Schrecken davon. Zwei Jahre später wird ein islamfeindlicher Deutscher (31) zu mehr als neun Jahren Haft verurteilt.

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