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Politik - 28.01.2019

Militär und Milizen: Maduros Lebensversicherung

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Caracas (dpa) – Nicolás Maduro steuert ein Militärboot durch die Karibik, joggt Seite an Seite mit Verteidigungsminister Vladimir Padrino durch die Festung Paramacay und inspiziert bei einem Manöver der 41. Brigade die Truppen.

Der venezolanische Staatschef will keine Zweifel daran aufkommen lassen, wer der wahre Oberbefehlshaber der Nationalen Bolivarischen Streitkräfte ist. «Immer loyal», ruft er den Soldaten zu. «Niemals Verräter», schallt es zurück.

Im eskalierenden Machtkampf zwischen Maduro und dem selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó ist das Militär der Schlüssel zum Erfolg. Internationale Anerkennung hin oder her – durchsetzen wird sich letztlich nur derjenige, der die Streitkräfte hinter sich weiß. «Das Einzige was zählt, ist: Wie viele Soldaten stehen auf der Seite von Maduro und wie viele auf der Seite von Guaidó», sagt Phil Gunson vom Forschungsinstitut Crisis Group. Entsprechend werden die Militärs in diesen Tagen umworben.

«Danke für eure Professionalität und euren Patriotismus», schmeichelt Maduro den Soldaten einer Marineeinheit, als er mit ihnen nach der Übung Arm in Arm für ein Foto posiert. «Ihr könnt immer auf mich zählen.» Auch Guaidó lässt nichts unversucht, um die Militärs für sich zu gewinnen. «Soldaten, stellt euch auf die Seite des Volkes», ruft er bei einer Kundgebung. Ein Amnestiegesetz, das den Soldaten Straffreiheit verspricht, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen, soll ihnen das Überlaufen zur Opposition schmackhaft machen.

Im Kampf um die Herzen wendet sich Guaidós Ehefrau Fabiana Rosales direkt an die Frauen der Soldatenfamilien. Sie will sie bei der Ehre packen. «Mütter, Töchter und Ehefrauen der Militärs, findet ihr es gerecht, dass die Regierung die Reputation und das Prestige der Uniform beschmutzt hat?», fragt sie in einem Video. «Erinnert ihr euch noch, als Offiziere in Galauniform ihre Töchter zum Altar führten, stolz darauf, Teil der Streitkräfte zu sein?»

Zumindest die Führungsriege des Militärs steht bislang treu an Maduros Seite. «Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt», versichert Verteidigungsminister Padrino. «Wir erkennen unseren Oberbefehlshaber Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an.» Die Loyalität dürfte allerdings weniger der sozialistischen Gesinnungen der Generäle geschuldet sein, sondern vielmehr handfesten wirtschaftlichen Interessen.

Während das einst reiche Land im Elend versinkt, machen die ranghohen Militärs noch immer gute Geschäfte. Sie sitzen an den wichtigen Schaltstellen der Macht, kontrollieren das Ölgeschäft, den Import von Lebensmitteln, Banken und Bergbaufirmen. Große Teile der Gewinne – Venezuela zählt zu den korruptesten Staaten der Welt – dürften in den Taschen der Generäle verschwinden.

Zudem sollen zahlreiche Militärs in kriminelle Geschäfte wie illegalen Bergbau und Drogenhandel verwickelt sein. Maduros rechte Hand Diosdado Cabello, Ex-Militär und Vizepräsident der Sozialistischen Partei, gilt als einer der größten Drogenhändler Südamerikas. Er soll das Cartel de los Soles (Kartell der Sonnen) führen – ein Verbrechersyndikat aus Offizieren.

«Der steckt bis zum Hals in allen illegalen Aktivitäten in Venezuela. Aber er weiß, wie man sich schützt und Abstand zu den schmutzigen Geschäften hält», zitiert das auf Sicherheitsthemen spezialisierte Portal Insight Crime einen Mitarbeiter des US-Justizministeriums. Maduro habe kriminelle Offiziere gezielt auf die höchsten Ebenen befördert, in der Hoffnung, dass sie im Falle eines Regierungswechsel am meisten zu verlieren hätten und deshalb umso entschlossener für den Status quo kämpfen würden, heißt es in der Analyse.

In den niedrigen Rängen dürfte deutlich mehr Unzufriedenheit mit Maduros sozialistischer Regierung herrschen. Die einfachen Soldaten und ihre Familien leiden ebenso an den Versorgungsengpässen wie die Zivilbevölkerung. Um einen Putsch zu verhindern, werden sie allerdings mit Hilfe kubanischer Militärgeheimdienstler streng kontrolliert. Dennoch kommt es immer mal wieder zu kleineren Aufständen. Erst vor einer Woche lehnte sich eine Gruppe Nationalgardisten gegen Maduro auf.

Eine weitere Stütze von Maduros Macht sind die «Colectivos». Diese bewaffnete Motorradgangs wollen ebenso, dass alles so bleibt, wie es ist. Die Gruppen beherrschen ganze Stadtviertel, kontrollieren die Verteilung subventionierter Lebensmittel und gehen unbehelligt von der Polizei ihren illegalen Geschäften nach. Im Gegenzug erledigen sie die Drecksarbeit und prügeln bei Protesten gegen die Regierung auf die Demonstranten ein.

Wenn der selbst ernannte Interimspräsident Guaidó die Militärs und Milizen auf seine Seite ziehen will, muss er ihnen etwas bieten: Nur wenn sie keine Zukunft für Maduros Regierung mehr sehen und gleichzeitig eine sichere Ausstiegsoption haben, dürften sie die Seiten wechseln.

Einen ersten Erfolg seiner Charmeoffensive konnte er schon verbuchen: Der Militärattaché an der venezolanischen Botschaft in Washington sagte sich am Wochenende von Maduro los und stellte sich in den Dienst von Guaidó. «Es reicht», sagte Oberst José Luis Silva in einer Botschaft an seine Kameraden. «Keine Gewalt gegen die Bürger mehr.»

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