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Politik - 17.01.2019

May offen für Nachverhandlungen zum Brexit-Abkommen

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London/Brüssel/Berlin (dpa) – Nach dem Scheitern des Brexit-Vertrags im Londoner Unterhaus sind die britischen Abgeordneten aufgerufen, am 29. Januar über einen Plan B für den EU-Austritt zu entscheiden.

Das kündigte die britische Regierung am Donnerstag an. Premierministerin Theresa May will am kommenden Montag darlegen, wie es nach ihrer krachenden Niederlage im Unterhaus weitergehen soll. Inzwischen werden die Vorbereitungen auf einen ungeregelten Brexit am 29. März auf allen Seiten intensiviert.

Das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen war am Dienstag von der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus abgelehnt worden. Hoffnungen, dass sich das Parlament nun rasch auf einen Kurs für den EU-Austritt einigt, der auch in Brüssel Zustimmung finden könnte, gibt es bislang kaum. May, die am Mittwochabend ein Misstrauensvotum der Opposition überstand, zeigte sich offen für Nachverhandlungen. Die EU schließt ein Aufschnüren des Abkommens bisher jedoch kategorisch aus.

Die Premierministerin traf sich inzwischen mit führenden Politikern verschiedener Parteien, um die Chancen für eine Übereinkunft auszuloten. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour Party lehnt Gespräche mit May aber ab, solange sie einen ungeordneten Austritt aus der EU ohne Abkommen nicht ausschließt.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine intensive Vorbereitung auf einen Chaos-Austritt der Briten aus der EU an. «Die Wahrscheinlichkeit eines ungeordneten Brexit ist deutlich gestiegen», sagte er. An die verbleibenden EU-Mitglieder appellierte Maas, ihre Geschlossenheit beizubehalten. Ein ungeregelter Brexit schade allen, vor allem aber Großbritannien. «Wir waren flexibel und sind Kompromisse eingegangen», sagte Maas. Eine Fristverlängerung schloss er nicht aus. Dafür müsse es aber eine klare Perspektive von britischer Seite geben. Ein neues Referendum oder einen Rückzug von der Austrittserklärung nach Artikel 50 nannte er «reine Spekulation».

Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember entschieden, dass Großbritannien den angekündigten Brexit noch ohne weiteres stoppen und Mitglied der Europäischen Union bleiben könnte. Eine Zustimmung der übrigen EU-Staaten sei dazu nicht nötig. Bislang zeichnet sich aber nicht ab, dass London diesen Weg beschreiten will.

Der Bundestag beschloss am Donnerstag ein Gesetz zur Regelung des Übergangszeitraums nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Das Gesetz tritt aber nur in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist und die bis Ende 2020 geplante Übergangsphase eintritt. Hauptziel ist es, Rechtsklarheit für Bürger und Unternehmer während der Übergangsphase zu schaffen. Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff nannte das Gesetz «völlig obsolet», weil es davon ausgehe, dass ein geordneter Brexit vollzogen werde.

Zur Vorbereitung auf ein mögliches Brexit-Chaos Ende März schickt die EU-Kommission jetzt Berater auf eine Tour in alle EU-Hauptstädte. Das Risiko eines Brexits ohne Vertrag sei diese Woche gewachsen, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel. «Wir verbinden auch unsere eigenen Vorbereitungen mit denen, die die Mitgliedstaaten treffen, diese Arbeit läuft», sagte der Sprecher. «Wir lassen es nicht darauf ankommen.»

Der Misstrauensantrag gegen May im Unterhaus wurde am Mittwochabend mit einer Mehrheit von 325 zu 306 Abgeordneten abgelehnt. Corbyn hatte zuvor in einer leidenschaftlichen Debatte vergeblich eine Neuwahl gefordert. Bei einer kurzfristig angekündigten Ansprache am späten Mittwochabend sagte May vor dem Regierungssitz in London, sie halte es für ihre Pflicht, Großbritannien aus der EU zu führen.

Die Briten hatten bei einem Referendum im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Inzwischen werden die Forderungen nach einer zweiten Volksabstimmung lauter. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl Ende Mai, Katarina Barley, sieht angesichts der verfahrenen Lage in London zunehmende Chancen für ein zweites Referendum über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. «Mein Eindruck ist, dass diese Möglichkeit wahrscheinlicher geworden ist, als sie das noch vor wenigen Wochen war», sagte die Bundesjustizministerin der Deutschen Presse-Agentur.

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