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Politik - 14.02.2019

INF-Vertrag: Atomare Optionen sind nicht vom Tisch

Die Nato bereitet sich auf eine Welt ohne INF-Abrüstungsvertrag vor. Kann schon jetzt ausgeschlossen werden, dass neue Atomwaffen nach Europa kommen? Von der zuständigen deutschen Ministerin gibt es jetzt eine ehrliche, wenn auch nicht beruhigende Antwort.

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Brüssel (dpa) – Nach Jahren der Sicherheit kehrt das Schreckgespenst des Atomkriegs nach Europa zurück. Bei einem Treffen in Brüssel berieten die Nato-Staaten erstmals über mögliche Konsequenzen aus der Auflösung des INF-Vertrages über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen schloss dabei auch eine nukleare Nachrüstung nicht vollständig aus. «Gerade weil wir am Anfang der Diskussion stehen, ist es eben wichtig, dass wir jetzt nicht anfangen zu hierarchisieren oder einzelne Punkte rausnehmen, sondern wirklich die ganze Palette mit auf dem Tisch liegen lassen», sagte die CDU-Politikerin. Es gehe jetzt darum, in der noch verbliebenen Zeit zu diskutieren, um dann einen «besonnenen, einen klugen Vorschlag» auf den Tisch legen zu können.

Ähnlich äußerte sich auch ihr britischer Kollege Gavin Williamson. Er sagte: «Wir haben jetzt noch sechs Monate Zeit (…), aber dann müssen alle Optionen auf den Tisch kommen.

Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang des Monats mit Rückendeckung der Nato-Partner zum 2. August gekündigt, weil sie davon ausgehen,
dass Russland das Abkommen seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletzt.

Dieses soll in der Lage sein, Marschflugkörper abzufeuern, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen und mehr als 2000 Kilometer weit fliegen können. Russland gibt die maximale Reichweite der SSC-8 hingegen mit 480 Kilometern an. Das wäre vertragskonform, da das Abkommen lediglich den Besitz landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern untersagt.

Als eine mögliche Nato-Reaktion auf wachsende Bedrohungen aus Russland nannte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Stationierung neuer konventioneller Waffensysteme in Europa. Man habe derzeit nicht die Absicht, neue atomare landgestützte Mittelstreckenraketen zu stationieren, betonte er. Zu seegestützten oder luftgestützten Waffensystemen äußerte er sich allerdings nicht. Auch hat der Norweger noch nicht ausgeschlossen, dass sich die derzeitigen Absichten nicht schnell ändern könnten.

Dass der INF-Vertrag im Verlauf der bis zum 2. August laufenden Kündigungsfrist noch gerettet werden kann, wird in der Nato für nahezu ausgeschlossen gehalten. Grund ist, dass sowohl den USA als auch Russland unterstellt wird, kein großes Interesse am Erhalt des INF-Vertrages zu haben. Das liegt vor allem daran, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter dieses Abkommen fallen würden.

Um nichts unversucht zu lassen, wollen sich vor allem europäische Politiker noch bis zum Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist intensiv für einen Erhalt des Abrüstungsabkommens einsetzen. Es gehe darum, Russland immer wieder dazu aufzufordern, zurück in den Vertrag zu kommen, sagte von der Leyen. Sollte dies nicht gelingen, müsse aber «klug und ausgewogen mit einem Mix an Maßnahmen» reagiert werden. Dies bedeute auch, den Blick auf die «chinesische Dimension» zu weiten. Demnach sollte auch die Regierung in Peking in mögliche Abrüstungsgespräche miteinbezogen werden.

Der russische Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow (87) und Mitunterzeichner des INF-Vertrages machte die USA für das Aus für den Vertrag verantwortlich. Diese wollten mit dem Ausstieg aus dem Abkommen ihr Streben nach «absoluter militärischer Überlegenheit» fortsetzen und sich von allen Einschränkungen in Rüstungsfragen lossagen.

Es bestehe nun die Gefahr eines neuen Wettrüstens, schrieb der Ex-Sowjetpräsident in einem Beitrag der Moskauer Zeitung «Wedomosti» (Mittwoch). «Darunter leidet die Sicherheit aller Länder – die der USA eingeschlossen», mahnte er. «Und alle verstehen, dass eine neue Runde eines Raketen-Wettlaufs noch gefährlicher werden kann.»

Nato-Generalsekretär Stoltenberg äußerte die Erwartung, dass es auch bei der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz um den INF-Vertrag gehen werde. Er selbst wolle dort wie in den Vorjahren mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow reden.

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