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Politik - 13.06.2019

Hessen will Schafherden mit Zäunen vor Wölfen schützen

In diesem Jahr wurden bereits zwölf Wolfsrisse registriert. Umweltministerin Priska Hinz setzt dennoch nicht auf verstärkten Abschuss des Raubtiers. Vielmehr denkt sie über den Schutz der Schafe nach.

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WIESBADEN – Bislang galt Hessen als „Wolfserwartungsland“: Die wenigen Mal, die Isegrim gesichtet wurde, war er meist tot und lag am Rande einer Autobahn. Das hat sich 2019 schlagartig geändert. Neun bestätigte Wolfsnachweise hat es in diesem Jahr bereits gegeben. Zuletzt war Anfang dieses Monats ein Tier in Dirlammen am Vogelsberg fotografiert worden. Vor allem aber hat es zwölf Wolfsrisse bei Nutztieren gegeben. Und schon fürchten Schafhalter wie Hubertus Dissen: „Das könnte ein richtiges Problem werden“. In Deutschland gebe es bereits jetzt genügend Wölfe, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Verbandes für Schafzucht und -haltung. Das Raubtier vermehre sich stark. Weshalb es nun darauf ankomme, die Wolfspopulation in Grenze zu halten.

Wie Dissen denken viele in Deutschland. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) etwa will sich dafür einsetzen, dass Wölfe leichter abgeschossen werden können. Doch Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) warnt: Die Debatte über den Wolf sei aufgeregter als sich die Situation tatsächlich darstelle. „Das hängt mit dem Mythos Wolf zusammen“. 150 Jahre lang habe es das Tier in Deutschland nicht mehr gegeben. Jetzt müssten sich die Menschen erst einmal wieder an den Umgang mit dem Wolf gewöhnen. Auch stünden den zwölf Wolfsrissen in Hessen 15 000 Schafe und Ziegen sowie 20 000 Kälber entgegen, die während der Geburt, durch Krankheiten oder durch andere Ursachen vorzeitig zu Tode kommen.

Und überhaupt: „Die meisten Nutztiere werden gerissen, wenn eine Weide nicht fachgerecht gesichert ist“, sagt die Ministerin. Im Klartext: Zäune, durch die eine Herde geschützt werden soll, sind manchmal nur an drei Seiten aufgestellt, weil der Schäfer irrigerweise glaubt, der Wolf könne nicht über den Bachlauf springen. Deshalb wird in Hessen eine Herdenschutzprämie gezahlt: 31 Euro pro Hektar erhalten jene Schaf- und Ziegenhalter pro Jahr, die sich zum Herdenschutz nach guter fachlicher Praxis mit täglichen Zaunkontrollen verpflichten. Gemeint sind entweder Festzäune in einer Höhe von 120 Zentimetern und zusätzlicher Elektroleitung oder 90 Zentimeter hohe Elektrozäune, die unter Spannung stehen. 3 000 Volt hinterlassen auch beim Menschen zwar keine Schäden, so doch „einen bleibenden Eindruck“, sagt Klaus-Ulrich Battefeld von der Abteilung Nachhaltigkeit im Umweltministerium. Wölfe aber würden durch solche Stromschläge dazu erzogen, künftig ihre Krallen von den Schafen zu lassen.

Neu an dieser Prämie ist freilich nur, dass der Herdenschutz wegen der aktuellen politischen Debatte um den Wolf wichtiger ist denn je. Denn Isegrim droht in Verruf zu geraten. Doch der Landesjagdverband bezweifelt, dass ein 120 Zentimeter hoher Zaun ein Hindernis für den Wolf darstellt, und dass die Prämie den Aufwand der Schäfer tatsächlich abdeckt, insbesondere dann, wenn Herdenschutzhunde eingesetzt werden müssen.

Schäfer Dissen jedenfalls hat ausgerechnet: Ein Herdenschutzhnd kostet ihn im Jahr 2 500 Euro. Für seine 1 300 Schafe bräuchte er sechs solcher Hunde. Macht pro Jahr 15 000 Euro. Auch benötige er für die geforderten Kontrollen der Zäune eine zusätzliche Arbeitskraft. „Das Geld haben wird nicht“.

Bald so normal wie in anderen Bundesländern?

Und doch begrüßen die hessischen Landesverbände des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV) die Herdenschutzprämie. Forderungen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium nach „wolfsfreien Zonen“ und einer Bejagung des Wolfes seien ein „fataler Irrweg“, der Weidetiere nicht schützen kann, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Man habe vielmehr die Hoffnung, dass „Wölfe in Hessen bald genauso normal sein werden, wie in anderen Bundesländern“.

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