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Politik - 08.12.2018

Gastkommentar von Necla Kelek zum Islam: Der falsche Umgang mit Muslimen

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Innenminister Horst Seehofer wünschte sich bei der Deutschen Islamkonferenz in Berlin einen „Islam in, aus und für Deutschland“, zudem Moscheevereine, die finanziell vom Ausland unabhängig sind. Und er möchte „den muslimischen Glauben mit der deutschen gewachsenen Kultur“ versöhnen. Über die Probleme der Muslime durch Selbstausgrenzung, Parallelgesellschaften, eine andere Leitkultur und eine islamisch geprägte Identitätspolitik sprach er nicht.

Er machte keine Ansagen, forderte nicht, sondern merkte allenfalls Dinge an. Zum Beispiel die Rolle, die der größte türkische Moscheeverband Ditib hierzulande spielt. Ditib wird mit seinen 900 Moscheen von der türkischen Regierung finanziert, leitet die Imame aus Ankara an und steuert die Vereinspolitik bis in den letzten Moscheeverein. Damit möge doch bitte Schluss sein, bat der Innenminister, und erbot sich, zukünftig die Imamausbildung im Land zu fördern. Die Forderung, dass mit der Auslandsfinanzierung und Bevormundung Schluss sein muss, äußerte er nicht. Er möchte, dass sich die Muslime in Deutschland so organisieren, dass sie eine gemeinsame Vertretung haben und Verabredungen getroffen werden können.

Die Islamkonferenz war nicht als Wertedebatte zwischen Regierung und den muslimischen Gemeinschaften angelegt. Regierungsvertreter waren bei den Diskussionen gar nicht vertreten. Der Staat moderierte nur, hielt sich ansonsten zurück. Es wurde viel über Befindlichkeiten gesprochen, Erkenntnisse oder Ergebnisse wurden offengelassen, in die Zukunft vertagt.

UNSERE GASTAUTORIN

Necla Kelek ist Soziologin und Autorin. Foto: Kelek

Den muslimischen Verbänden selbst zu überlassen, welche Rolle sie in der deutschen Gesellschaft spielen wollen, halte ich angesichts der Probleme für den falschen Weg. Ich habe deshalb mit anderen Publizisten und Wissenschaftlern eine „Initiative säkularer Islam“ mitinitiiert, die diesem Laissez-faire etwas Inhaltliches entgegensetzen will. Wir wollen keinen politischen Islam, kein Kopftuch an Schulen und auch keine Funktionäre, die für „den Islam“ stellvertretend sprechen. Wir wollen auch keine Import-Imame aus der Türkei. Wir arbeiten dafür, dass die Islamkonferenz ein Forum für eine Auseinandersetzung wird, das sich mit den realen Problemen der Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens auseinandersetzt. Auf die Agenda der Konferenz gehören daher auch die Sorgen aller Bürger, besonders der Deutschen und anderer Migranten. Es geht unter anderem um Gewalt gegen Frauen in muslimischen Familien, Zwangsheirat, Kinderehen, Polygamie, Verwandtenehen, das Entstehen von Gegengesellschaften und Extremismus und einen historisch-kritischen Umgang mit den Schriften des Islam. Themen, die nicht zur Sprache kamen.

Die Aussichten auf Erfolg sind daher gering: Die Regierung möchte den Konflikt mit dem Islam befrieden, freut sich über die bunte Vielfalt des muslimischen Lebens und ist bereit, sich das etwas kosten zu lassen. Damit ist sie sich einig mit konservativen wie liberalen Islamverbänden. Diese wollen Religionsfreiheit als Gruppenrecht der Umma, der Gemeinschaft der Muslime, und ansonsten in Ruhe gelassen werden.

Dagegen stehen wir Säkularen, die für die Trennung von Staat und Religion und für die Rechte des Einzelnen einstehen und den religiösen Einfluss auf Schulen und Universitäten ablehnen. Wir müssen offensichtlich nicht nur die Ansichten der aufgeklärten Muslime formulieren, sondern auch stellvertretend für unsere Regierung das Interesse der unbefragten Mehrheit unseres Landes vertreten. Denn diese Mehrheit will nicht nur wissen, was die Muslime wollen und fordern, sondern sie hat auch ein Anrecht darauf, zu erfahren, wann die Muslime, statt sich in eine Gegengesellschaft zurückzuziehen, bereit sind, Verantwortung für dieses Land und das Zusammenleben zu tragen.

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