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Politik - 14.07.2019

AfD will «Wende 2.0»

Brandenburg, Sachsen, Thüringen – im Osten stehen drei Landtagswahlen an. Beim Wahlkampfauftakt in Brandenburg instrumentalisiert die AfD die Wendezeit von 1989. Ihr Rechtsaußen Höcke ruft zur «friedlichen Revolution an der Wahlurne» auf.

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Cottbus (dpa) – Er lässt auf sich warten – fünf Minuten, zehn Minuten, fünfzehn Minuten. Doch als Björn Höcke endlich auf die Bühne kommt, zeigt sich: Er kann es sich leisten.

Die Menge jubelt, «Höcke, Höcke»-Sprechchöre werden laut, er wird wie ein Star gefeiert. Eigentlich eröffnet die AfD Brandenburg ihren Landtagswahlkampf, doch Hauptdarsteller in Cottbus ist der Landeschef aus Thüringen, der Gründer des rechtsnationalen «Flügels». Brandenburgs AfD-Vorsitzender Andreas Kalbitz begrüßt «meinen Freund und Mitstreiter» und sagt, er verkneife sich jetzt mal den Zusammenhang mit der gerade wieder rauskommenden Sonne und dem Redner.

Brandenburg, Sachsen, Thüringen – gleich in drei ostdeutschen Ländern wird im Herbst gewählt. Beim Wahlkampfauftakt in Cottbus wird schnell die Strategie der AfD deutlich: 30 Jahre nach dem Mauerfall stellt sie sich als die einzige Partei dar, die die Sorgen und Nöte der Menschen im Osten aufgreift. Das Wahlkampfmotto: «Wende 2.0» Als Höcke noch nach Cottbus unterwegs ist, bereitet Kalbitz argumentativ den Boden: «Dafür steht auch die AfD, sich dafür einzusetzen, die Wende zu vollenden.» Oder wie es der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen in Cottbus ausdrückt: «Holen wir uns unsere Freiheit zurück und beginnen wir damit in Brandenburg und in Sachsen!»

Von der Wende und von der DDR ist oft die Rede an diesem Nachmittag. Auch Sachsens Landeschef Jörg Urban knüpft daran an, als er die Nichtzulassung eines Großteils der AfD-Listenkandidaten in Sachsen durch den Landeswahlausschuss geißelt: «Während man in der DDR noch dreist die Wahlergebnisse fälschte, sorgt man jetzt schon im Vorfeld dafür, dass der Wählerwille nicht umgesetzt werden kann.»

Die Freiheiten, die sich die Menschen in der friedlichen Revolution von 1989 erkämpft haben, würden ihnen schon wieder verweigert oder seien zumindest in Gefahr, lautet die AfD-Argumentation. Urban, der wie Kalbitz ebenfalls dem «Flügel» zugerechnet wird, formuliert es auch so: «Wir fordern die Meinungsfreiheit statt „Lügenpresse“.» Das zieht, wie «Lügenpresse, Lügenpresse»-Sprechchöre zeigen.

Dann kommt Höcke. Weil Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) angekündigt hatte, der Verfassungsschutz werde in Cottbus genau hinsehen, bringt er eine Flasche Sekt mit – der Marke «Fürst von Metternich». Und er erinnert daran, dass Fürst von Metternich einer der Väter der Karlsbader Beschlüsse gewesen sei, mit denen Anfang des 19. Jahrhunderts gegen Freiheitsbewegungen in Deutschland und Europa vorgegangen wurde. Höcke gibt die Sektflasche in die Menge – einer der Verfassungsschützer solle sie Schröter bringen. «Wer heute für Rechtsstaatlichkeit ist, für Demokratie, für Meinungsfreiheit, für Versammlungsfreiheit, der gilt ja auch schon wieder als Demagoge – so wiederholen sich die Zeiten», sagt Höcke.

Auch der Thüringer AfD-Chef macht eine Zeitreise in die DDR. Er spricht von einem besorgten Bürger, der ihm von seiner Angst berichtet habe, am Mittagstisch mit seinen Kindern ein offenes Wort zu wechseln – aus Sorge, die Kleinen könnten sich in der Schule verplappern. «Es fühlt sich schon wieder so an wie in der DDR», sagt Höcke, der aus Westdeutschland stammt. «Und dafür haben wir nicht die friedliche Revolution gemacht, liebe Freunde. Das wollen wir nie wieder erleben, denn wir werden uns in keine neue DDR führen lassen!»

Höcke wettert in seiner Rede gegen die Euro-Rettung, die Energiewende und die Flüchtlingspolitik in Deutschland. In letzterer fürchtet er die «Abschaffung des deutschen Volkes». Das Thema Flüchtlinge bringt nach wie vor großen Zuspruch bei den Zuhörern. Höcke setzt eine Durchschnittsrente nach 45 Arbeitsjahren gegen die Ausgaben für einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling, der angeblich weit mehr bekommt. Von hinten sagt einer: «Jetzt hat er es ausgesprochen.»

Die Wahl in Sachsen und Brandenburg am 1. September sowie in Thüringen am 27. Oktober könnten für die AfD zum Triumph werden. In Sachsen wie Brandenburg waren die Rechtspopulisten bei der Europawahl im Mai stärkste Kraft. In jüngsten Umfragen lag die AfD in Sachsen gleichauf mit der CDU bei 26 Prozent, in Brandenburg auf Augenhöhe mit der SPD bei 19 Prozent. In Thüringen landete die AfD zuletzt bei 20 Prozent hinter CDU (26 Prozent) und Linke (24 Prozent).

Höckes Machtplan lautet denn auch: Erst holt die AfD den Osten und dann die ganze Republik. Oder wie er es – wiederum mit einem Rückgriff auf 1989 – ausdrückt: «Lassen wir hier mit einer friedlichen Revolution an der Wahlurne – erst am 1. September in Brandenburg, dann in Sachsen und am 27. Oktober in Thüringen – die politische Sonne im Osten wieder aufgehen. Lassen wir sie dann über ganz Deutschland scheinen.»

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