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Kultur - 15.06.2019

Warum New Yorker Berlin als Heimat vorziehen

Mittlerweile leben 20.000 US-Amerikaner in Berlin, darunter viele New Yorker. Doch warum haben sie sich ausgerechnet die deutsche Hauptstadt ausgesucht? Was gibt’s hier, was New York City nicht bietet?

„Wir sind seit drei Tagen in Berlin – und ich will nie mehr zurück… Ich komme aus New York City und muss sagen: Lange war New York City die größte, die mondänste Stadt der Welt ist, aber ab jetzt ist Berlin die Nummer 1“, sagte einer der Hosts des US-Podcasts „Chapo Trap House“ zum Start ihrer Europa-Tour Anfang Juni in Berlin. Diese Begeisterung teilen viele US-Amerikaner, die Deutschlands Hauptstadt für sich entdecken. Viele von ihnen bleiben nach ihrem ersten 72-Stunden-Trip schließlich eine ganze Weile länger: Aktuell leben in Berlin immerhin rund 20.000 US-Amerikaner.

Mit dem Deutschlandjahr, das 2019 in den USA begangen wird, fördert Deutschland ein Jahr lang seine kulturellen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Als sie im Live-Podcast ihre positiven Eindrücke von ihrer Zeit in Berlin vortrugen, verstärkte das Team von „Chapo Trap House“ unwissentlich den Trend. 


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    48 Stunden Neukölln

    Vom 14. bis 16. Juni können Sie 48 Stunden mit Kunst und Performances aller Art im hippen Stadtteil Neukölln verbringen. Das Besondere an diesem Festival: Es findet nicht nur in öffentlichen Kunsträumen statt, sondern auch in Innenhöfen und privaten Wohnungen. Hier im Bild spielt das Hochschulorchester der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Staatsoper für alle

    Wenn experimentelle Kunst nicht so Ihr Ding ist, können Sie am gleichen Wochenende, genauer am 16. Juni, zur Staatsoper für alle gehen. Unter der Leitung des Stardirigenten Daniel Barenboim steht das Konzert allen offen und ist kostenlos. Traditionell findet es am Bebelplatz neben der Staatsoper statt, der als Schauplatz einer der Bücherverbrennungen der Nazis von 1933 bekannt ist.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Fête de la Musique

    Jedes Jahr spielen Musikerinnen und Musiker weltweit zum Sommeranfang am 21. Juni auf der Fête de la Musique – im öffentlichen Raum und auf zahlreiche Stadtviertel verteilt. Das aus Frankreich stammende Fest steigt seit 1995 auch in Berlin, in diesem Jahr stehen über 600 Veranstaltungen auf dem offiziellen Programm. Traditionell gesellen sich spontane Jam-Sessions dazu.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Freiluftkinos

    Man kann es als Filmfestival sehen, das den ganzen Sommer überdauert: In Berlins Parks, wie dem Volkspark Friedrichshain, der Hasenheide in Neukölln oder Rehberge in Wedding, lassen sich Filme an warmen Abenden draußen genießen. Intimere Räume wie das Pompeji am Ostkreuz und das Central in Mitte sind rauer und vermitteln das Gefühl der Subkultur Berlins.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Theater im Schwimmbad

    Mit ihren trashigen, aus Schaumstoffmatratzen hergestellten Marionetten und ihren urkomischen Nachstellungen literarischer Werke verkörpert das Helmi-Puppentheater seit 2001 den Berliner DIY-Kreativgeist. Es ist Teil des Kulturprogramms des Tropez im Sommerbad Humboldthain, wo man die Aufführungen vom 1. Juni bis 1. September in einem ungewöhnlichen Rahmen erleben kann.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Nachbarschaftsfeste

    Ein Stadtbummel kann Ihnen einen Sommer voller kostenloser Partys bescheren. Achten Sie auf Plakate, die auf Hof- oder Straßenfeste hinweisen, die man in gut situierten Vierteln wie der Choriner Straße im Prenzlauer Berg ebenso feiert wie mit alternativen Projekten der ehemaligen Berliner Hausbesetzerszene, etwa auf dem Kreutziger Straßenfest in Friedrichshain.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Lesbisch-schwules Stadtfest

    Europas größtes LGBTI-Straßenfest steigt am 20. und 21. Juli. Das Motzstraßenfest ist seit 1993 fester Bestandteil rund um den als schwules Viertel bekannten Nollendorfplatz in Schöneberg. Der Schriftsteller Christopher Isherwood verewigte das berüchtigte Nachtleben der Weimarer Zeit in seinen „Berlin Stories“, der Vorlage zum Filmmusical „Cabaret“.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Tanz im August

    Tanz im August ist das internationale Festival für zeitgenössischen Tanz. Das diesjährige Programm umfasst vom 9. bis 31. August 31 Produktionen mit 160 Künstlern aus 15 Ländern, darunter eine Retrospektive der Werke der US-Choreografin Deborah Hay, einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des postmodernen Tanzes. Hier ist die in Simbabwe geborene Künstlerin Nora Chipaumire zu sehen.


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Pop-Kultur Festival

    Fans neuer Popmusik reisen wahrscheinlich den ganzen Sommer über zu verschiedenen Festivals außerhalb Berlins. Zurück in der Stadt, bietet auch das Festival Pop-Kultur vom 21. bis 23. August internationalen Nachwuchskünstlern einen Bühne. Mit dabei sind in diesem Jahr unter anderem CocoRosie, Mykki Blanco und der in Berlin lebende englische Elektropop-Musiker Planningtorock (Foto).


  • Musik, Tanz und Theater: 10 Tipps zum Sommer in Berlin

    Musikfest Berlin

    Berlin mag eine Techno-Hochburg sein, aber es ist auch ein Mekka für Liebhaber der klassischen Musik. Das Musikfest vom 30. August bis 19. September eröffnet offiziell die Herbst-Konzertsaison. Im Rahmen des Festivals werden 22 internationale Orchester und Ensembles mehr als 65 Werke aufführen. Ein Highlight ist der japanische Noh-Theaterauftritt in der Philharmonie.

    Autorin/Autor: Elizabeth Grenier (tla)


Mythos Berlin

Die Tatsache, dass Berlin mit seiner turbulenten Geschichte das Epizentrum des 20. Jahrhunderts war, hat viele Ausländer – nicht nur US-Amerikaner – dazu inspiriert, die Stadt zu aufzusuchen. „Zerstört, geteilt und eingesperrt in einem Jahrhundert, das von Chaos und Umbrüchen geprägt war, ist Berlin bis heute eine Stadt geblieben, in der Herumtreiber, Träumer und Außenseiter einen Platz finden – und endlich frei herumlaufen können“, schreibt DW-Autor Stuart Braun in seinem Buch „City of Exiles“.

Viele internationale Künstler und Intellektuelle haben in Berlin gelebt. Unter ihnen: Iggy Pop, David Bowie, Susan Sontag oder Nan Goldin. Ihre öffentlichen Auftritte haben dazu beigetragen, Berlins Image einer freigeistigen Stadt zu festigen. 

In den 1990er Jahren zog die wiedervereinigte Stadt Hausbesetzer, Künstler und DJs an, die es verstanden, die leerstehenden Brachen nach dem Fall der Mauer in anarchische Kulturräume zu verwandeln. Unter ihnen waren New Yorker, die die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Metropolen erkannten.

Hat in Berlin eine neue Heimat gefunden: der Musiker Howard Katz

„Ich war hier zu Besuch, nachdem die Mauer gefallen war. Berlin versprühte so eine raue Energie, die New York in den 1970er und 1980er Jahren hatte“, sagt Howard Katz, ein Choreograf, Performer, Musiker und Heilpraktiker, der in New York geboren wurde und in den 1990er Jahren entschied, in Berlin leben zu wollen. „Es gab viel Platz. Alles war offen und verrückt. Ich konnte mich auf all diese kuriosen Sachen und Menschen einlassen.“ Auch wenn diese alternative Szene Berlins heute nicht mehr das ist, was sie einmal war, gilt die Stadt noch immer als Zufluchtsort, an dem man der aktuellen US-Politik entfliehen kann.

Zuflucht vor der US-Politik

„Wir haben unsere Wohnung an dem Tag, an dem Trump vereidigt wurde, offiziell verlassen“, sagt Alana Range, die sich mit ihrer Partnerin entschlossen hat, nach einem dreimonatigen Stipendium im Jahr 2016, ein zweites Büro für ihre in Brooklyn ansässige Agentur in Berlin einzurichten. „Es war ein lustiges Timing, aber schon auch zielgerichtet, denn es ist total frustrierend, an einem Ort zu leben, an dem so stark polarisiert wird – auch wenn New York eine Blase ist, in der man vor alldem sicher ist.“

Alana Range ist Kreativdirektorin und will in Berlin bleiben

Doch auch schon 15 Jahre vor Trumps Wahl zum Präsidenten der USA haben die Terroranschläge von 2001 New Yorker dazu gebracht, die Stadt an der Ostküste für Berlin zu verlassen: „Ich habe versucht, nach New York zurückzukehren. Das war ein paar Wochen vor dem 11. September – und das hat für mich nicht funktioniert. Die Stadt wurde danach geschlossen“, sagt Katz, der später dauerhaft in die deutsche Hauptstadt zurückkehrte.

Entspannter leben und arbeiten

Einige Auswanderer lieben Berlin wegen ihres Nachtlebens, andere wiederum loben das entspannte Tempo. Für Range fühlt sich Berlin an „wie das Gegenteil von New York, wo die Leute denken, dass du tot bist, wenn du dich nicht 24 Stunden am Tag quälst und auf eine E-Mail mit 45 Minuten Verspätung reagierst“.

Berlin elektrisiert die New Yorker

Berlin sei für sie wie eine Art Airbag, ein weiches Kissen, auf dem man sich gut ausruhen kann. Vor allem die Einstellung gegenüber ihrer Arbeit sei grundlegend anders als in New York. „Arbeit ist für Berliner nur Arbeit.“ Eine gesunde Haltung, die US-Amerikaner ihrer Meinung nach sehr selten einnehmen. Einzig der Sonntag, an dem die Geschäfte geschlossen sind in Deutschland, sei für sie sehr gewöhnungsbedürftig gewesen, sagt sie. Selbst in der gehypten Start-up-Szene ginge es langsamer zu als in den USA. Viele kämen schlicht, um dem Stress in ihrer Heimat zu entfliehen.

Gentrifizierung greift in Berlin weiter um sich

Es ist wie immer ein Dilemma: Expats kommen, weil sie in Berlin eine bessere Work-Life-Balance vorfinden, gleichzeitig treiben ausgerechnet sie die Mieten in die Höhe, weil sie zahlungskräftig sind. Eine unheilvolle Dynamik.

Howard Katz, der seit den 1990er Jahren unmittelbarer Zeuge der Veränderung von Berlins alternativer Kunstszene war, will sich trotzdem nicht beschweren. Vielmehr ermutigt er die Menschen, sich für die Gestaltung eines Berlins zu engagieren, das sie wollen. Zu diesem Zweck kreiert er in Berlin seine eigenen neuen Freiräume. 2017 eröffnete Katz mit seinem Partner den „Q Space“, einen Proben- und Aufführungsort im Ostberliner Stadtteil Pankow. Für ihn ist alles genau richtig: „Ich liebe Berlin“, sagt er. „Und ich liebe die Veränderungen hier.“

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