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Kultur - 05.04.2019

Muslimische Mode und der Zoff um Stoff: „Contemporary Muslim Fashions“

Das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zeigt in einer aktuellen Schau muslimische Mode. Leiter Matthias Wagner K wurde dafür schon im Vorfeld heftig kritisiert. Im Interview erklärt er, wie politisch Mode sein kann.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Milliardenschwerer Markt

    „Modest“ nennt sich die Mode für muslimische Frauen, was so viel heißen soll wie „bescheiden“, „dezent“ oder „weniger körperbetont“. Sie feiert die Verhüllung des weiblichen Körpers. 44 Milliarden Dollar schwer ist der Markt für muslimische Mode im Jahr. Labels aus aller Welt wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Unser Bild zeigt Raşit Bağzıbağlıs „Desert Dream Collection“ für „Modanisa“.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Ein modisches Accessoire?

    Am Kopftuch scheiden sich die Geister: Die einen tragen es freiwillig, die anderen haben keine Wahl. In muslimischen Ländern wie dem Iran, Irak, Afghanistan oder Jemen gelten strenge Kleidungsvorschriften. In Deutschland ist das Kopftuch mitunter ein politisches Signal. Unser Bild stammt aus dem Video „Somewhere in America“. Für diese jungen Frauen ist das Kopftuch ein modisches Accessoire.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Ein Schlag gegen Frauenrechte?

    Verharmlosen die Ausstellungsmacher islamische Kleidervorschriften als Modetrend? Das meint eine Gruppe „säkularer Migrantinnen“. Die Ausstellung, schreiben sie, sei „ein Schlag gegen die Frauenrechte und mache sich mit der Religionspolizei in manchen islamischen Ländern gemein“. Zu der Gruppe zählt auch die in Frankfurt im Exil lebende iranische Frauenrechtlerin Monireh Kazemi.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Streit über Mode

    Von Haute Couture über Streetwear bis zu Sportbekleidung: Die Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst spießt das Phänomen zeitgenössischer muslimischer Mode auf. Schon vor der Eröffnung schlug die Schau, die aus San Francisco in den USA kommt, hohe Wellen. Unser Bild zeigt junge Musliminnen beim Speerwerfen in der besetzten Westbank.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Strenge Kontrollen

    Körperscans und Taschenkontrollen wie am Flughafen – die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang sind streng. Und offenbar auch nötig: Der Museumsdirektor erhielt Drohungen. Feministinnen protestierten: erst wenn auch das Bild einer gesteinigten Frau gezeigt werde, sei die Ausstellung akzeptabel. Das allein zeigt, wie politisch die Schau ist. Im Bild: eine Muslimin im Hijab-Badeanzug.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Böse Vorahnung

    Schon als die Ausstellung im Herbst 2018 in San Francisco eröffnete, rechnete Kurator Max Hollein mit massiver Kritik. Man werde ihm vielleicht vorwerfen, einer Mode zu huldigen, mutmaßte er, die die Unterdrückung von Frauen feiere. Doch dann drehte sich alles um Trumps Einreiseverbot für Staatsangehörige muslimischer Länder. Bei Holleins Kollegen in Frankfurt trifft seine Befürchtung nun ein.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Mode neben Politik

    Auch die großen Sportartikelhersteller sind groß im Geschäft mit islamischer Mode. Das Bild zeigt eine Boxerin im Ganzkörper-Outfit von Nike. Daneben kreist die Schau auch um das Thema Muslim-Feindlichkeit: Auf einer Bomberjacke findet sich – in arabischer Schrift – der erste Zusatzartikel der US-Verfassung abgedruckt. Er garantiert Religionsfreiheit.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Mode auf Instagram und Co.

    Unzählige Blogger, Influencer und Modemagazine widmen sich der muslimischen Modewelt. Sogenannte „Hijabistas“ zelebrieren auf Instagram das traditionelle Kopftuch als modisches Must-have. Auch dieser Aspekt kommt in der Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“, die noch bis zum 1. September in Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu sehen ist, zur Sprache.

    Autorin/Autor: Stefan Dege


  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Milliardenschwerer Markt

    „Modest“ nennt sich die Mode für muslimische Frauen, was so viel heißen soll wie „bescheiden“, „dezent“ oder „weniger körperbetont“. Sie feiert die Verhüllung des weiblichen Körpers. 44 Milliarden Dollar schwer ist der Markt für muslimische Mode im Jahr. Labels aus aller Welt wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Unser Bild zeigt Raşit Bağzıbağlıs „Desert Dream Collection“ für „Modanisa“.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Ein modisches Accessoire?

    Am Kopftuch scheiden sich die Geister: Die einen tragen es freiwillig, die anderen haben keine Wahl. In muslimischen Ländern wie dem Iran, Irak, Afghanistan oder Jemen gelten strenge Kleidungsvorschriften. In Deutschland ist das Kopftuch mitunter ein politisches Signal. Unser Bild stammt aus dem Video „Somewhere in America“. Für diese jungen Frauen ist das Kopftuch ein modisches Accessoire.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Ein Schlag gegen Frauenrechte?

    Verharmlosen die Ausstellungsmacher islamische Kleidervorschriften als Modetrend? Das meint eine Gruppe „säkularer Migrantinnen“. Die Ausstellung, schreiben sie, sei „ein Schlag gegen die Frauenrechte und mache sich mit der Religionspolizei in manchen islamischen Ländern gemein“. Zu der Gruppe zählt auch die in Frankfurt im Exil lebende iranische Frauenrechtlerin Monireh Kazemi.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Streit über Mode

    Von Haute Couture über Streetwear bis zu Sportbekleidung: Die Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst spießt das Phänomen zeitgenössischer muslimischer Mode auf. Schon vor der Eröffnung schlug die Schau, die aus San Francisco in den USA kommt, hohe Wellen. Unser Bild zeigt junge Musliminnen beim Speerwerfen in der besetzten Westbank.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Strenge Kontrollen

    Körperscans und Taschenkontrollen wie am Flughafen – die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang sind streng. Und offenbar auch nötig: Der Museumsdirektor erhielt Drohungen. Feministinnen protestierten: erst wenn auch das Bild einer gesteinigten Frau gezeigt werde, sei die Ausstellung akzeptabel. Das allein zeigt, wie politisch die Schau ist. Im Bild: eine Muslimin im Hijab-Badeanzug.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Böse Vorahnung

    Schon als die Ausstellung im Herbst 2018 in San Francisco eröffnete, rechnete Kurator Max Hollein mit massiver Kritik. Man werde ihm vielleicht vorwerfen, einer Mode zu huldigen, mutmaßte er, die die Unterdrückung von Frauen feiere. Doch dann drehte sich alles um Trumps Einreiseverbot für Staatsangehörige muslimischer Länder. Bei Holleins Kollegen in Frankfurt trifft seine Befürchtung nun ein.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Mode neben Politik

    Auch die großen Sportartikelhersteller sind groß im Geschäft mit islamischer Mode. Das Bild zeigt eine Boxerin im Ganzkörper-Outfit von Nike. Daneben kreist die Schau auch um das Thema Muslim-Feindlichkeit: Auf einer Bomberjacke findet sich – in arabischer Schrift – der erste Zusatzartikel der US-Verfassung abgedruckt. Er garantiert Religionsfreiheit.

  • Muslimische Mode im Visier: „Contemporary Muslim Fashions“

    Mode auf Instagram und Co.

    Unzählige Blogger, Influencer und Modemagazine widmen sich der muslimischen Modewelt. Sogenannte „Hijabistas“ zelebrieren auf Instagram das traditionelle Kopftuch als modisches Must-have. Auch dieser Aspekt kommt in der Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“, die noch bis zum 1. September in Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu sehen ist, zur Sprache.

    Autorin/Autor: Stefan Dege


Deutsche Welle: Herr Wagner K, Sie verkaufen ihre Ausstellung als reine Modeausstellung. Ist sie das?

Matthias Wagner K: Ja, zuerst einmal ist sie das. Sie zeigt das Phänomen zeitgenössischer muslimischer Mode, die man unter dem Begriff „modest fashion“ kennt, also „weniger körperbetont“, „dezent“, auch wenn sie das in vielen Teilen nicht ist. Sie nimmt, und das macht ja diese Ausstellung aus, die vielfältigen und in den unterschiedlichen Ländern regional geprägten aktuellen Interpretationen muslimischer Mode in den Blick. Und sie zeigt, wie muslimische Frauen ihre eigenen modischen Vorstellungen von „modest fashion“ umsetzen. Ein globales Phänomen.

Es gibt Länder, in denen Verschleierung und Verhüllung des weiblichen Körpers nicht als Befreiung empfunden wird. Wie passen Mode und Frauenrechte zusammen?

Direktor Matthias Wagner K vom Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt

Ich glaube, dass Mode, wie es auch der Ausstellungsinitiator Max Hollein sagt, ein exaltierter Ausdruck eines kulturellen Zustandes ist. Das Thema Frauenrechte klammern wir überhaupt nicht aus. Es gibt sehr viele Fotografien und Beiträge von Künstlerinnen wie zum Beispiel Shirin Neshat, die explizit die Unterdrückung von Frauen thematisieren, die, wenn sie sich gegen diese Bekleidungsvorschriften wehren, um ihr Leben oder um ihre Unversehrtheit fürchten müssen.

Frauenrechtlerinnen werfen Ihnen vor, Sie verharmlosen islamische Kleidervorschriften als Modetrend?

Diese Vorschriften, von denen die Rede ist, finden sich nicht in den in der Ausstellung gezeigten Exponaten. Sie zeigen keine einzige Burka. Da, wo sie gezeigt wird, ist es ein kritischer, künstlerischer Beitrag oder Streetfotografie. Nein, die Ausstellung zeigt gerade sehr viele junge Frauen, die sich äußerst selbstbewusst und selbstbestimmt modest kleiden, mit Hidschab oder nicht, und ein komplett neues Bild der muslimischen Frau repräsentieren. Das hat nichts mit einschlägigen Stereotypen zu tun.

In Deutschland gibt es diese strengen Kleidervorschriften nicht. Wie ist ihre Position zum Stichwort Verhüllung weiblicher Körper?

Natürlich gilt es dagegen anzukämpfen, wenn es denn eine Vorschrift ist. Wir müssen uns einsetzen für Freiheit und Selbstbestimmtheit. Dazu gehört aber auch, dass eine muslimische Frau, so sie es denn selbstbestimmt tut, sich auch entsprechend kleiden kann. Ich meine damit keine Burka. Denn diese, davon bin ich überzeugt, würde wahrscheinlich keine Frau freiwillig anziehen, wenn nicht dahinter Repressalien stünden, patriarchalische Vorstellungen von Männern, Unterdrückungsmechanismen und vieles mehr.

Sie haben schon im Vorfeld der Ausstellung Drohungen und harsche Kritik bekommen. Haben Sie Angst?

Wir müssen diese Drohungen, diese zum Teil sehr persönlichen Hassmails sehr ernst nehmen. Schon um den Schutz der Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten, machen wir Kontrollen am Eingang beim Zutritt in das Museum. Das ist für uns neu, das muss ich ganz klar sagen. Aber wenn ich die Photography Foundation in der Europäischen Zentralbank (EZB) besuche, werde ich komplett durchgescannt. Wenn ich zum Fußballverein Eintracht Frankfurt gehen will, werde ich kontrolliert.

Aber hier zeigt sich noch etwas anderes: Gerade die zahlreichen und hasserfüllten Mails zeigen, dass hier in Deutschland die größere Bedrohung für Muslime doch von Menschen ausgeht, die sie aufgrund ihres Glaubens nicht als Teil der Gesellschaft begreifen wollen. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir unseren Blick richten müssen. Und es zeigt, dass Mode per se nie völlig unpolitisch ist, weil sie unterschiedlichste gesellschaftliche Problematiken aufgreift, dass es um Gender und Identität geht, auch um Nachhaltigkeit.

Die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ ist vom 5. April bis zum 1. September 2019 im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen. 

Das Gespräch mit Professor Matthias Wagner K führte Stefan Dege.

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