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Kultur - 21.01.2019

Kurz vor den Oscar-Nominierungen: Streit um „Werk ohne Autor“

Gerhard Richter distanziert sich von Florian Henckel von Donnersmarcks Film: Das Künstlerdrama missbrauche und verzerre seine Biografie, sagte der Maler dem US-Magazin „The New Yorker“.

Der Film, der im Oktober vergangenen Jahres in die deutschen Kinos kam, erzählt die Geschichte eines Malers namens Kurt Barnert, der während der NS-Zeit aufwächst, in der DDR erste Erfolge feiert, dann aber in Westdeutschland einen Neuanfang wagt. Das Geschichtsepos basiert in Teilen auf der Lebensgeschichte Gerhard Richters. 

Bereits zum deutschen Kinostart im vergangenen Oktober hatte Richter sich von dem Film distanziert. Er finde ihn „zu reißerisch“, sagte er damals der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Gesehen habe er den Film zwar nicht  – „schon aus praktischen Gründen – weil ich dreieinhalb Stunden gar nicht aushalte in meinem Alter“. Aber der Trailer, den ihm der Regisseur gezeigt habe, habe ihm gereicht.

Erbost: Gerhard Richter

„Sagte ihm deutlich, dass ich nicht zustimmen würde“

Jetzt, kurz vor der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen an diesem Dienstag – bei denen „Werk ohne Autor“ in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ Chancen hat – hat der Künstler im US-Magazin „The New Yorker“ seine Kritik verschärft. Richter hatte Florian Henckel von Donnersmarck auf dessen Wunsch hin vor den Dreharbeiten mehrmals getroffen und mit ihm über sein Leben gesprochen. Der Regisseur gab an, auch aus dem Drehbuch vorgelesen zu haben. Richter habe es für gut befunden und sogar angeboten, eigens Bilder für den Film zu fertigen.

Doch Richter stellt es nun anders dar: „Schon bald nach seinem ersten oder zweiten Besuch sagte ich ihm (Henckel von Donnersmarck, Anm. d. Red.) deutlich, dass ich einem Film über Gerhard Richter nicht zustimmen würde,“ schrieb der Maler auf eine Interviewanfrage des „New Yorker“. „Ich schlug auch vor, dass der Protagonist einen anderen Beruf ausüben könnte, wie zum Beispiel einen Schriftsteller oder einen Musiker, da die Familiengeschichte, die er erzählen wollte, nicht unbedingt einen Maler als solchen brauchte. Er ließ sich alle seine Möglichkeiten offen und ich gab ihm schriftlich etwas, aus dem hervorging, dass er ausdrücklich nicht meinen Namen oder eines meiner Bilder verwenden oder veröffentlichen durfte. Er versicherte mir, dass er meine Wünsche respektieren werde.“

Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck

Henckel von Donnersmarck zeigt Verständnis

Nun aber sieht er sich vom Regisseur getäuscht: „In Wirklichkeit hat er alles getan, um meinen Namen mit seinem Film zu verbinden, und die Presse hat ihm nach besten Kräften geholfen. Glücklicherweise haben die wichtigsten Zeitungen hierzulande sein Machwerk sehr skeptisch und kritisch bewertet. Dennoch hat er es geschafft, meine Biografie zu missbrauchen und grob zu verzerren!“

Florian Henckel von Donnersmarck, der 2007 für „Das Leben der Anderen“ den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt, zeigte sich im „New Yorker“ von dieser Reaktion überrascht, brachte aber auch Verständnis für den Künstler auf: „Ich kann es ein wenig verstehen. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand meine Lebensgeschichte nimmt und ihr dann einen bestimmten Dreh gibt, wäre es entweder sehr schmerzhaft, weil sie so nah an diesen schmerzhaften Kapiteln in meinem Leben wäre, oder es wäre schmerzhaft, weil sie nicht nah genug wäre.“ Richters Geschichte sei komplex und schwierig; Donnersmarck könne ihm nicht wirklich vorwerfen, dass er die Kontrolle darüber behalten wollte. Sein Fazit: „Vielleicht ist der Film für alle außer für ihn.“

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