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Kultur - 14.11.2018

Karikaturenstreit auf Serbisch: Wer ist da der Hitler?

Es steht nicht besonders gut um die Pressefreiheit in Serbien. In diesen Tagen bietet dort ein Karikaturist der autoritären Staatsspitze mit spitzer Feder die Stirn. Die Regierung in Belgrad ist aufgeregt.

Die regierungskritische serbische Zeitung „Danas“ steht im Verdacht, eine Kampagne gegen die Belgrader Regierung und den Staatspräsidenten Vučić zu führen. Zumindest behaupten das führende Regierungspolitiker. Und wie: Seit Hitler und Goebbels habe es noch nie so etwas gegeben. Eine maximale Attacke auf das unabhängige Blatt.

Der Vorwurf schlägt schon seit 6. November Wellen. Tatsächlich ist das eine dreiste Tatsachenverdrehung: Die auflagenschwache Zeitung „Danas“ ist eher eine der wenigen kritischen Inseln in der serbischen Medienlandschaft, in der sonst der autoritäre Staatschef Aleksandar Vučić den Ton vorgibt.

Die spitze Antwort

Wenn die Nazivergleiche des Fraktionschefs der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) Aleksandar Martinović und seines Stellvertreters Vladimir Orlić die Einschüchterung der kritischen Journalisten im Sinn hatten, ging das Manöver gründlich daneben. Denn als Reaktion darauf zeichnete der Star-Karikaturist Predrag Koraksić Corax seine Antwort.

Unter Beschuss: Die Wochenzeitung „Danas“

Vor wenigen Tagen veröffentlichte „Danas“  auf seiner Titelseite die Karikatur „Nachwuchs“: Die beiden Parteisoldaten von Vučić, die im Parlament eine Kontinuität zwischen Hitler-Goebbels und „Danas“ öffentlich hergestellt hatten, sind dort als Babys der genannten Nazi-Größen dargestellt. Ein medialer Volltreffer. Das Kultur- und Informationsministerium schaltete sich ein und verurteilte die Satire von „Danas“.

Ministeriumsschelte wegen Satire

Das Ministerium bezeichnete die Titelseite als „äußerst unangemessen“, da die Karikatur den Staatschef Aleksandar Vučić sowie seine Politiker „in einen nicht akzeptablen und ethisch nicht erlaubten Kontext mit den größten Kriegsverbrechern des Zweiten Weltkriegs setze“.  Offensichtlich idenitfizierte die Parteispitze der SNS in der Hitler-Karikatur den serbischen Staatschef höchstpersönlich. Corax, der Zeichner, meint, dass solch eine verzerrte Wahrnehmung auf einer unglaublichen Vučić-Fixierung seiner Gefolgsleute beruhe.

Der serbische Karikaturist Predrag Koraksić Corax zeichnet seit Jahrzehnten das politische Leben in Serbien

Eine Steilvorlage für den erfahrenen und inzwischen hochbetagten Karikaturisten, der schon zu jugoslawischen Zeiten Berühmtheit erlangte. Tags darauf erschien eine fast identische Titelseite, wobei die serbischen Parteibabys in den Armen von Hitler und Goebbels diesmal nicht gefüttert wurden sondern tränenreich schrien und urinierten.

Corax als Alibi

Seine allererste Karikatur zeichnete der heute 86-jähriger Predrag Koraksić Corax schon 1950 – damals 17 Jahr jung. Heute ist er in Serbien eine Institution sowie ein Symbol des Widerstands gegen jeglichen Autoritarismus. Milošević zeichnete er in den 1990er Jahren als blinden Autisten oder als Nero, der Jugoslawien anzündet. Während der autoritären Herrschaft des „Schlächters vom Balkan“ waren rund 3.700 Karikaturen mit der Unterschrift Corax’s im Umlauf.

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