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Kultur - 06.04.2019

Grau, quadratisch, funktional: das neue Bauhaus-Museum in Weimar

Die Originale bekanntester Design-Klassiker sind im neuen Bauhaus-Museum zu sehen. Das Gebäude ist umstritten, der Standort auch, aber der Inhalt überzeugt. Weimar will mit diesem Museum eine bewusste Zäsur setzen.

Wie wollen wir in dieser Welt leben? Als Menschen, die im Einklang mit der Natur stehen oder als technisch orientierte „Maschinenmenschen“? Wollen wir uns körperlich fit halten und vegetarisch ernähren oder überlassen wir alles einer höheren Fügung? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Studierenden am „staatlichen Bauhaus“, das Walter Gropius am 6. April 1919 in Weimar als Kunst- und Design-Hochschule gründete.

Die Wiege von Peter Keler, eines der zentralen Ausstellungsstücke

Weimar war die „Wiege“ des Bauhauses, jener modernen, experimentellen Ideenschmiede, die von den Weimarer Bürgern Anfang der 1920er Jahre mit Argwohn verfolgt wurde. Schließlich warb die Stadt schon damals für sich als Goethe-Stadt und als Stadt der Weimarer Klassik. Lange führte das Bauhaus in der Erinnerungskultur ein Schattendasein, doch mit dem neuen Bauhaus-Museum soll sich das ändern. Die Wiege von Peter Keler, eins der bekanntesten Objekte der Dauerausstellung, ziert symbolisch Plakate und Prospekte. Wie wir in Zukunft leben werden, ist die Leitfrage, die sich durch die Dauerausstellung zieht.

Umstrittener Bau mit offenem Raumkonzept

Von Außen ist dasBauhaus-Museum in Weimar – schlicht gesagt – ein grauer Betonklotz. Ein kubischer Bau, der in sich geschlossen wirkt. „Es gab Kampagnen gegen die Architektur, bei denen die Leute Schilder hingestellt haben mit der Aufschrift: ‚Wo sind die Fenster?'“, erzählt Wolfgang Holler, Generaldirektor der Weimarer Museen der Klassik-Stiftung Weimar. In der Tat hat die Fassade wenige Fenster. Umso größer ist die Überraschung, wenn man das offene Raumkonzept im Inneren wahrnimmt. „Das ist kein Bunker, sondern es hat durch die hohen Decken eine Leichtigkeit und strahlt gleichzeitig auch Erhabenheit aus“, erklärt Architektin Heike Hanada.

Die Etagen sind teilweise nach oben hin offen versetzt zueinander gestaltet. So gibt die oberste der drei Etagen mit den berühmten Design-Klassikern, wie jener Wiege von Keler, der Tischlampe von Wilhelm Wagenfeld oder den Stahlrohrstühlen von Ludwig Mies van der Rohe, nach unten den Blick frei auf Videoleinwände, auf denen Figuren in starren Kostümen über die Bühne tanzen. Die Bühnenwerkstatt war das Kreativzentrum am Bauhaus und beschäftigte sich mit der Frage, wie sich der Mensch im Raum bewegt. Gleichzeitig war die Bühne ein Ort für viele Auftritte bei den berüchtigten Bauhausfesten.

Die Vertreibung des Bauhauses aus Weimar

Zeugen der Zwangsarbeit. In der Nähe von Weimar liegt die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald

Doch schon nach sechs Jahren war mit solchen phantasievollen Festen in Weimar Schluss. Das Bauhaus wurde 1925 aus politischen Gründen aus der Stadt vertrieben und schließlich 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endgültig aufgelöst. Man könne nicht an das Bauhaus erinnern, ohne auch an seine Vertreibung zu erinnern, sagte der Thüringer Kultusminister Benjamin-Immanuel Hoff anlässlich der Eröffnung des Museums.

Ganz bewusst steht das Museum deshalb an einer historisch brisanten – und in der Stadt sehr umstrittenen – Stelle. Auf der einen Seite der idyllische Park der Ilmenau, auf der anderen Seite ein massiver Bau der Nationalsozialisten, das einstige „Gauforum“.“ Das Gauforum in Weimar war der Ort, von dem die Zwangsarbeiterbewegung koordiniert wurde“, erläutert Wolfgang Holler. Auch für den Bau selbst mussten Zwangsarbeiter aus dem nahe gelegenen Konzentrationslager Buchenwald arbeiten. Heute ist im ehemaligen Gauforum das Landesverwaltungsamt. In Kürze wird dort auch eine Ausstellung zur Zwangsarbeit in Weimar eröffnet.

Man habe sich genau für diesen Standort entschieden, um die Moderne und den Nationalsozialismus aufzuarbeiten, sagt Holler. Das sei bisher allerdings in der Öffentlichkeit noch nicht stark genug vermittelt worden. „Städtebaulich ist hier ein Monolith sehr gut platziert, weil er in dieser heterogenen Situation eine bestimmte Kraft ausstrahlt“, meint Heike Hanada. „Er ist auch eine klassische Haltung in der Moderne, wo man die Architektur so einfach wie möglich definiert.“ Rund um das Bauhausmuseum und das Gauforum will die Stadt künftig ein Quartier der Moderne schaffen. Die Rezeption von Weimar als Stadt der Klassik gehöre damit der Vergangenheit an.

Aufbruch in ein neues Zeitalter

Blick ins „Neue Museum“ Weimar, mit dem Einrichtungsstil von Henry van der Felde (links)

Gegründet wurde das Bauhaus in einer Zeit des Umbruchs. Der erste Weltkrieg hatte das Kaiserreich zerschlagen, die Industrialisierung veränderte das Leben. Frauen erhielten das Wahlrecht und gingen zur Arbeit. Einfach, praktisch und funktional sollte die Lebenswelt sein, für jedermann erschwinglich, das waren die Ziele der Bauhäusler. Der Ballast des Kaiserreichs schien auch im Kunstgewerbe überholt, ein modernes, funktionales Design war gefragt.

Vorläufer für solche Ideen war bereits die Kunstgewerbeschule von Henry van de Velde. Er konzipierte ein einfacheres Design, das sich durch Architektur, Möbel und Kleidung wie eine Art Gesamtkunstwerk zog. Damit sollte der Mensch gut und bequem leben. Das Korsett für die Frauen wurde ersetzt durch weite lange Gewänder. Die Emanzipation der Frau hatte begonnen. All das erfährt man im „Neuen Museum“, das in unmittelbarer Nähe zum Bauhaus-Museum wiedereröffnet wurde. Hier wird die Vorgeschichte des Bauhauses Anfang des 20. Jahrhunderts gezeigt, an die Walter Gropius anknüpft.

Experimente einer neuen Architektur oder einfache Bauklötze?

Ging van der Velde vom Stil und der schönen Form aus, die den Menschen prägt, so wollte Gropius den umgekehrten Weg gehen: „Er hat gesagt, man muss erst den Menschen verändern, dann kann man die Gesellschaft verändern und dann findet man einen guten Stil“, erläutert Museumsdirektor Wolfgang Holler.

Das Bauhaus als Experimentierfeld

Tatsächlich war das Bauhaus gerade in den Anfängen ein Experimentierfeld. „Hier durfte man Ideen entwickeln und auch scheitern“, erzählt Museumsdirektorin Ulrike Bestgen. Skizzen und Bilder zeigen verschiedene Ideen zum neuen Menschen und zu neuen Lebensentwürfen.

Eine Etage höher geht es schon um konkrete Wohnformen. Die sogenannten „Frankfurter Küche“ entstand zwar nicht am Bauhaus, aber sie ist ein Beispiel für die erste Einbauküche mit vielen kleinen Schubladen und Fächern, in denen Inhalte übersichtlich und leicht zugänglich waren. Auch die bunten multifunktionalen Holzkisten im Kinderzimmer von Alma Siedhoff-Buscher zeigen, wie man sich eine Erleichterung im Alltag mit praktischen und funktionalen Möbeln vorstellte.

Rosa Luxemburg als mögliches Vorbild für die „Neue Frau“, (rechts) Werbung für ein vegetarisches Kochbuch – aus dem „Frau“ etwas zubereiten soll

Dass das Bauhaus noch nicht ganz so emanzipiert war, zeigt ein Spruch von Bauhausmeister Muche, der ganz klar sagte: „Die Küche ist das Experimentierfeld der Frauen“. Die meisten Frauen am Bauhaus waren dann auch eher in der Weberei als in der Bauwerkstatt oder in der Architekturklasse beschäftigt. Als eine der wenigen Frauen schaffte es Marianne Brandt in die Metallwerkstatt. In der letzten Station der Ausstellung, wo es darum geht, was vom Bauhaus aus der Weimarer Anfangszeit bleibt, sind ihre berühmte Teekanne und andere Metallobjekte zu sehen.

Beim Anblick überkommt einen eine gewisse Ehrfurcht. Denn obwohl all diese Dinge kostengünstig industriell in Serie produziert werden sollten, ist alles handgemacht. An den Metallarbeiten sieht man teilweise sogar noch die Schweißnähte.

Was vom Bauhaus bleibt

Die Teekanne gehört wie auch die Wagenfeld-Lampe und zahlreiche Keramikarbeiten, Stühle und Teppiche zur Sammlung von Walter Gropius. „Diese 168 Sammlungsgegenstände hat Walter Gropius der Stadt überlassen, als das Bauhaus in Weimar geschlossen wurde“, erzählt Wolfgang Holler. „In den 1930er Jahren waren sie im Schloss versteckt, um sie dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen.“ 

Gropius-Sammlung: Objekte aus der Keramikwerkstatt

„Im Zuge des Museumsbaus sind noch ganz viele Familien auf uns zugekommen und haben uns Dinge überlassen, die wir hier gar nicht alle einarbeiten konnten“, sagt Ulrike Bestgen. Insgesamt ist die Sammlung im Laufe der Jahre auf 13.000 Objekte angewachsen, von denen 1000 im neuen Bauhaus-Museum zu sehen sind.

Man darf sich also in Zukunft auf viele thematische Wechselausstellungen freuen, die die Erinnerungskultur an das Bauhaus in Weimar weiter festigen werden.

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