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Kultur - 06.04.2019

Die Kunst kleiner Verlage

Sie sind Idealisten, Digital Natives oder erfolgreiche Globalisierer. Mit ihren höchst unterschiedlichen Programmen kämpfen sie für kulturelle Vielfalt. DW fragte fünf Verleger nach ihrer Strategie.

Kulturstaatsministrin Monika Grütters hat einen neuen Verlagspreis ins Leben gerufen, der Verlegern Hoffnung macht. Trotzdem sind die wirtschaftlichen Aussichten vieler unabhängiger Verlage nach der Insolvenz eines der wichtigsten Buchzwischenhändlers noch unsicher. Wie beurteilen sie die gegenwärtige Situation? Hier sind fünf ganz unterschiedliche Antworten:

Jan Wenzel, Spector Books

Spector Books gibt es seit 2001, zunächst als Zeitschrift „Spector cut+paste“, seit 2008 publiziert der von den drei Verlegern Jan Wenzel, Anne König und Markus Dreßen geführte Verlag auch Bücher, inzwischen fünfzig pro Jahr. Der Verlag mit Sitz in Leipzig arbeitet mit vielen Gestaltern, Bildbearbeitern und Lektoren vor Ort zusammen. Das anspruchsvolle Programm: „Eine Form, die verschiedene Felder zeitgenössischer Kunstproduktion zusammenführt: Bildende Kunst, Fotografie, Architektur, Literarisches.“ 

Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?

Bücher in mehreren Sprachen gehören zum Verlagsmodell von Spector Books

Für uns ist ein Vorteil, dass wir ein kleiner, aber global arbeitender Verlag sind. Wir publizieren zur Hälfte für den deutschsprachigen Markt, zur Hälfte für den internationalen. Sehr viele unserer Bücher, aktuell zum Beispiel zum Bauhaus oder das Buch von Alexander Kluge und Ben Lerner sind gleichzeitig auf Deutsch und Englisch erschienen. Unsere Titel entstehen oft in Zusammenarbeit mit Institutionen, so können wir auch die Übersetzungskosten verteilen.

Brauchen die unabhängigen Verlage eine strukturelle Förderung?

Wenn man sich in Österreich oder der Schweiz umschaut, gibt es sowas als Instrument der Wirtschafts- und Kulturförderung schon seit längerem. Als kleiner deutscher Verlag steht man da bei manchen Titeln in einer Konkurrenz, der man gar nicht genügen kann. Man sieht aber auch, wie wichtig personengeführte Verlage sind, für ein breites, interessantes Programm. Verlage ab einer bestimmten Größe scheuen sich eher, bestimmte Titel, Autoren, Positionen im Programm zu riskieren. Kleinunternehmer agieren vielleicht subjektiver, riskanter, und sind unter Umständen auch näher dran an Veränderungen.

Frauke Hampel, Connewitzer Verlagsbuchhandlung

Die Connewitzer Verlagsbuchhandlung wurde 1990 von Peter Hinke im Leipziger Stadtteil Connewitz gegründet. Peter Hinke hatte zwischen 1988 und 1989 die Untergrundzeitschrift „Sno’Boy“ herausgegeben, die zum Ausgangspunkt des Verlags wurde.

Was ist Ihr Geschäftsmodell?

Das Besondere ist: Wir sind ein Verlag mit zwei Buchhandlungen. Wir machen nur zwei bis sechs Bücher pro Jahr, und der Verlag hat seinen Sitz in der Buchhandlung. Dort sind wir dicht am Kunden, können schauen, was die lesen, was wir selber wollen. Und natürlich können wir da auch direkt verkaufen.

Buchtitel in schöner Gestaltung, darauf legt die Connewitzer Verlagsbuchhandlung Wert

Unsere Buchhandlung ist so eine Art kleiner Dorfplatz, wo alles zusammenkommt. Auch viele junge Autoren, die vom Deutschen Literaturinstitut kommen, und Illustratoren aus der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Die treffen in der Handlung zusammen, und mit denen entstehen oft Bücher.

Betrifft Sie die Insolvenz des Buchzwischenhändlers Koch, Neff & Volckmar (KNV) vom Februar?

Uns betrifft sie zweifach. Als Verlag durch offene Rechnungen aus dem Dezember, die KNV nicht beglichen hat. Als Buchhandlung: Viele Titel sind nicht lieferbar, einige Meldungen stimmen auch nicht. Es ist eine ganz unsichere Situation. Das Insolvenzgeld wird bis 30. April bezahlt. Wie es dann ab Mai weitergeht, ist noch ganz offen. Man ist sehr verunsichert, weil man davon auch abhängig ist.

Christiane Frohmann, Frohmann Verlag

„Digitalisierung ist für mich ein kulturell hochinteressanter Wandlungsprozess, der für Menschen fortwährend neue Möglichkeiten hervorbringt“, schreibt Christiane Frohmann auf ihrer Webseite. Zu diesen neuen Möglichkeiten gehört es für sie, auch einen Verlag mit den Mitteln des Internets zu führen.

Betrifft Sie die KNV-Insolvenz?

Nein, nicht direkt, denn ich produziere on demand, halte also keine größeren Auflagen bereit. Diese Titel hat  der Buchhandel nicht so gern im Sortiment.

Was ist das Problem für Verlage, die on demand produzieren?

Verlegerin Christiane Frohmann auf der Internetkonferenz re:publica

Im Moment krankt vieles daran, dass speziell die Buchhandlungen nicht mit den Arbeits- und Vertriebsstrukturen der neuen Player, der neuen, kleinen unabhängigen Verlage, die sehr viel online machen, so richtig verbunden sind, und dass man tatsächlich nicht so leicht handeln kann, wie man gerne würde. Ich glaube, dass viele Buchhandlungen unsere Programme eigentlich gut finden. Aber es bedeutet einfach zu viel Stress, zu viel Arbeit für sie, diese Bücher zu verkaufen. Sie müssten andere Abrechnungsmodelle benutzen, und dafür haben viele Handlungen einfach nicht die Zeit.

Mit dem Direktverkauf und dem direkten Kontakt mit Buchhändlern, ohne Zwischenhändler, ohne Grossisten, bin ich eigentlich recht erfolgreich.

Ursi Anna Aeschbacher, Verlag Die Brotsuppe

Den kleinen Schweizer Verlag mit dem bewusst unglamourös gewählten Namen gibt es seit fünfzehn Jahren. Neben ihrem eigenen Verlag arbeitet Ursi Anna Aeschbacher als Grafikerin, Illustratorin, Autorin und Lektorin für verschiedene andere Verlage und als Sprecherin für „Swips“, Swiss Independent Publishers, die deutschsprachigen unabhängigen Verlage in der Schweiz.

Wie funktioniert die Verlagsförderung in der Schweiz?

Ursi Anna Aeschbacher im eigenen Verlag „Die Brotsuppe“

Es gibt diese Förderung seit drei Jahren. Sie ist umsatzabhängig, kleine Verlage erhalten eine kleine Förderung von 5000 Franken im Jahr. Für die großen Verlage mit hohem Umsatz gibt es bis zu 80.000 Franken im Jahr. Man möchte die Geschäftstüchtigkeit unterstützen.

Betrifft die KNV-Insolvenz auch Schweizer Verlage?

Sehr viele haben auch über KNV ausliefern lassen, daher sind fast alle mehr oder weniger betroffen, besonders die kleinen und mittleren. KNV hatte für Schweizer Auslieferungen für Buchhandlungen gute Angebote gemacht und hat einfach Bücher bestellt – man konnte es nicht beeinflussen. Unser eigener Verlag hat spezifisch Schweizer Themen, deshalb ist der Absatz in Deutschland nicht hoch und der Schaden daher auch nicht.

Was können Verlegerinnen und Verleger tun, um sich zu schützen?

Wir brauchen vor allem einen viel besseren Austausch untereinander und mit den Medien, auch die Grafiker und Drucker, die Illustratoren, alle, die etwas mit dem Büchermachen zu tun haben, müssen mehr miteinander reden. Damit nicht wieder wahnsinnig mühsam erarbeitetes Geld irgendwo anders hingeht. Besonders jetzt, wo doch die Umsätze entgegen aller offiziellen Verlautbarungen ja schon und zwar drastisch zurückgehen.

Peter Graf, Verlag Das kulturelle Gedächtnis

Im Berliner Verlag mit dem ungewöhnlichen Namen haben sich Idealisten zusammengetan. Den Verlag gibt es seit zweieinhalb Jahren, in denen jeweils acht Bücher im Jahr veröffentlicht wurden.

Wodurch zeichnet sich Ihr Verlagsprogramm aus?

Alle unsere Bücher sind ein Blick in die Vergangenheit, um Fragen, die uns aktuell umtreiben, aus einer anderen Perspektive zu betrachten und möglicherweise sogar Antworten zu bekommen. So haben wir zum Beispiel ein Drama von Voltaire in neuer Übersetzung neu herausgegeben: „Der Fanatismus oder Mohammed“, eine Kritik der Buchreligionen. Da geht es darum, wie Radikalisierung durch diese Religionen Einfluss auf die Gesellschaft, auf die Menschen nimmt – eine Fragestellung, die uns heutzutage massiv umtreibt.

Oder es gibt den Lebensbericht eines deutschen Wirtschaftsflüchtlings im 18. Jahrhundert, der eigentlich schon all das erlebt hat, was heutige, auf der Flucht befindliche Menschen auch erleben. Es geht darum, das Denken nochmal aufzubrechen und bisschen Wärme in diese Diskussion zu bringen.

Wie funktioniert Ihr Verlagsmodell?

Verleger Peter Graf

Das Besondere an unserem Verlag ist, dass er nicht funktioniert wie ein klassischer Verlag. Wir sind fünf Menschen, die alle ihr Geld in der Buchbranche verdienen, in anderen Verlagen oder in anderen Zusammenhängen, und wir haben gemeinsam eine Gesellschaft (GmbH) gegründet, umdiese Bücher, die wir gerne machen wollen, möglich zumachen. Wir zahlen uns keine Gehälter aus, das Geld fließt zu hundert Prozent wieder in die Buchproduktion. Es gibt stille Teilhaber, die uns im Hintergrund unterstützen, entweder durch kleinere Geldbeträge oder durch Engagement, Schauspieler, die für uns lesen, Menschen, die für uns Texte transkribieren oder Korrektur lesen… Uns leitet dabei auch ein Gemeinschaftsgedanke.

Diese Art von Büchern kann man eigentlich nur machen, wenn man den ökonomischen Druck rausnimmt. Unser Programm funktioniert sehr gut, aber eben nur unter dieser Vorgabe. Der Verlag soll auch nicht größer werden. Wir wollen nicht Leute anstellen, sondern wir wollen in diesem Rahmen unser Programm weiterentwickeln und an den Stellschrauben nicht drehen.

Sind Sie von der KNV-Insolvenz betroffen?

Massiv. Man wird dafür bestraft, wenn man ein gutes Weihnachtsgeschäft hatte. Wir haben eine sehr hohe Summe verloren. Wie viele andere kleinere Verlage auch. 35.000 Euro, das ist enorm viel Geld, das wir auch niemals wiedersehen werden. Das ist nicht existenzbedrohend, weil unsere Struktur so ist, wie sie ist, aber wir hätten ein Jahr in aller Ruhe arbeiten können – und jetzt gibt es diese 35.000 Euro nicht mehr. Das macht das Arbeiten sehr viel schwieriger.

Sollte es eine strukturelle Verlagsförderung geben, ähnlich wie in Österreich und der Schweiz?

Ich kenne das Schweizer Modell sehr gut, weil ich als Verleger in der Schweiz angefangen habe. Das Schweizer Modell lässt sich nicht einfach übertragen, weil die Anzahl der Verlage in Deutschland natürlich ungleich größer ist. Ein guter Ansatz ist der jetzt auf den Weg gebrachte Verlagspreis, der analog zum Buchhandelspreis möglicherweise viele kleine Verlage alimentieren wird.

Ich bin mir nicht sicher, ob man auf einen  staatliche Förderung setzen sollte, die das Büchermachen erst ermöglicht. Es braucht immer auch das eigene Reagieren auf das Umfeld, das sich verändert. Man kann nach neuen Modellen suchen.

Wie könnten neue Modelle aussehen?

Ich selber habe einen anderen Verlag, Walde und Graf in Berlin, mit dem ich mein Geld verdiene, da verkaufe ich nicht alle Bücher im Sortiment, sondern ich produziere auch Bücher für Dritte, zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung. In anderer Ausstattung gebe ich diese Bücher dann nochmal ins Sortiment. Das ist auch eine Art von Mischkalkulation. Ich kann meine Existenz auf mehreren Standbeinen begründen und bin nicht auf Gedeih und Verderb den Buchverkäufen an der Kasse ausgesetzt.

Meine verlegerische Unabhängigkeit bekomme ich dadurch, dass ich auch andere Projekte realisiere, die nicht (oder auch) über den Buchhandel laufen. Da entwickeln wir Buchideen und liefern fertige Bücher – da sind wir Dienstleister in einem Bereich, in dem  es auch eine wachsende Nachfrage gibt, weil die Kapazitäten in den Verlagen zum Teil nicht da sind, um im großen Stil alle Titel zu entwickeln. Das ist eine Nische, die man besetzen kann – und dadurch eine gute Überlebenschance hat.

Andreas Rosteck, edition.FotoTapeta

Als ein symbolisches Schulterklopfen, ein „Macht weiter so!“, empfand Andreas Rostek den Förderpreis, den ihm die Kurt Wolff Stiftung 2019 verlieh. Seit der Gründung des Verlags im Jahr 2007 erzählen die blauen Bücher der Edition „Geschichte und Geschichten unserer östlichen Nachbarn“. Andreas Rostek arbeitet neben seiner verlegerischen Tätigkeit auch als Wirtschaftsjournalist für die Deutsche Welle.

Muss man Masochist sein, um einen Verlag zu gründen?

Nein, aber man muss Wagemut, Unvernunft und Spielfreude mitbringen.

Was ist Voraussetzung für das Überleben unabhängiger Verlage?

Das blaue Cover ist ein Markenzeichen der edition.fotoTapeta

Die Bereitschaft für ein gerüttelt Maß an Selbstausbeutung. Mit kaufmännischer Vernunft da rangehen zu wollen, ist ganz schwierig. Es gibt aber auch Instrumentarien und Fördermittel, zum Beispiel für Übersetzungen aus fremden Sprachen, die ganz wesentlich sind für uns. Übersetzungsförderung wie zum Beispiel auch die Arbeit der Kollegen des georgischen Buchmessengastlandes, das war fantastisch. Das Ergebnis war toll, wir haben wunderschöne Bücher machen können.

Auch das polnische Buchinstitut in Krakau hat über Jahre eine begeisterte Arbeit geleistet und das, was an Interesse an polnischer Literatur von außen kam, wahrgenommen und umgesetzt. Da ist mittlerweile ein erzieherischer Impetus, ein ideologischer Anspruch zu spüren, der die Arbeit etwas erschwert. Aber sie geht weiter.

Natürlich ist die Buchpreisbindung für kleine Verlage und Vertriebe eine wesentliche Grundvoraussetzung. Es wäre mörderisch, sollte die je fallen.

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