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Kultur - 23.03.2019

Brecht als Filmfigur: Der Dichter, das Theater & die Frauen

Das Doku-Drama „Brecht“ von Regisseur Heinrich Breloer wurde bei der Berlinale uraufgeführt – und kommt jetzt ins deutsche und französische Fernsehen. Der Film erlaubt einen neuen Blick auf den Dichter Bertolt Brecht.

„Ich glaube, dass wir alle verschiedene Bilder von Brecht mit uns herumtragen“, sagt Regisseur Heinrich Breloer – dem ist sicher kaum zu widersprechen. Bei der Berlinale im Februar hatte der Regisseur seinen eigenen Blick auf Brecht erstmals vorgestellt. Auf großer Leinwand fand die Weltpremiere statt. Jetzt kommt „Brecht“ auch in Frankreich ins Kino. In Deutschland ist der Film beim Sender „Arte“ und wenig später bei der ARD zu sehen – eines der Fernsehereignisse des Jahres 2019.

Brecht – fiktiv und real auf der Leinwand

Regisseur Heinrich Breloer gilt (zusammen mit seinem 2013 verstorbenen Kollegen Horst Königstein) als Erfinder des sogenannten Doku-Dramas, einer inzwischen etablierten Mischform aus Spiel- und Dokumentarfilm. Breloer hat es in den vergangenen Jahren in diesem Genre zu einiger Meisterschaft gebracht und vielfach gefeierte und ausgezeichnete Filme gedreht – über politische, historische und kulturelle Persönlichkeiten und Geschehnisse.

Nach der Berlinale-Premiere: Regisseur Breloer und seine beiden Brecht-Darsteller Tom Schilling und Burkhart Klaußner

Das Doku-Drama wird von Fachleuten – wenn es denn gelungen ist – gerade wegen seiner „offenen Form“ gelobt: Zeigen diese Filme doch die „Wirklichkeit“ hinter der Fiktion. Oder anders ausgedrückt: Sie bereichern das Filmdokument durch eine zusätzliche spielerische Ebene. Da lag es natürlich nahe, dass sich Heinrich Breloer des deutschen Dichters Bertolt Brecht annahm.

Brechts Theatervision: Gegen die Kunst der Illusion

Auch Brecht galt als Verfechter einer „offenen“ künstlerischen und gestalteten Bühnenkultur: Die Zuschauer sollten sich nicht in der Sicherheit einer Illusion wiegen. „So, wie Brecht die Schauspieler an die Rampe treten lässt, um über ihre Rollen zu sprechen, und damit die Illusion bricht, so gibt es diese Distanzierung auch, wenn ich das Spiel mit der Dokumentation breche“, sagt der Regisseur über Inhalt und Form seines neuen Films.

Tom Schilling mimt den jungen Brecht, Leonie Benesch spielt Elisabeth Hauptmann

Der Zuschauer erlebt Brecht im ersten Teil des dreistündigen Doku-Dramas während der Weimarer Republik, in der er zum Star des deutschen Theaters aufsteigt: zunächst noch als jungen Burschen, der am Gymnasium unpatriotische Aufsätze zum Besten gibt, dann als wildes, junges Dichter-Genie, das mit dem Stück „Baal“ sich selbst und das Theater als Emotionsmaschine feiert.

„Dreigroschenoper“ wurde zum Theaterklassiker

Anschließend wird Brecht als schon etablierter Bühnenautor vorgestellt: als Verfasser der Stücke „Trommeln in der Nacht“ und „Die Dreigroschenoper“. Die entwickelt sich schließlich zum größten Theatererfolg der Weimarer Republik. Am Ende des ersten Teils von „Brecht“ steht das Datum 1933, der Machtantritt der Nationalsozialisten. Brecht ist auf dem Weg in sein erstes Exil nach Prag.

Burkhart Klaußner glänzt als älterer Brecht

Der zweite Teil des Films zeigt den Dichter im frühen Nachkriegsdeutschland: In der DDR wird Brecht von den einen als großer Innovator gefeiert, von den anderen mit skeptischem Blick beäugt. Dass Brecht dabei in beiden politischen Lagern Freunde und Feinde hat, arbeitet Heinrich Breloer schlüssig heraus: bei seinen Verehrern und dem Publikum auf der einen Seite sowie den DDR-Bürokraten und Hütern des sozialistischen Einheitsdenkens auf der anderen Seite.

Umstrittene politische Figur des Zeitgeschehens: Bertolt Brecht

Ein Mann, auf den sich alle einigen können, ist Brecht Zeit seines Lebens nicht, zu keiner Zeit und an keinem Ort. Auch in der marktwirtschaftlich orientierten Bundesrepublik der Nachkriegszeit gab es sowohl Förderer als auch eine starke Front gegen den Dichter, der sich stets als „Kommunist“ betrachtete. 

Adele Neuhauser brilliert als Helene Weigel – hier als Mutter Courage in Breloers Film

Was Heinrich Breloers Zweiteiler hinaushebt über eine brave filmische Nacherzählung, ist die private Seite des Lyrikers, Stückeschreibers und politischen Aktivisten. Wie eine Perlenkette zieht sich das Thema „Brecht und die Frauen“ durch die 180 Filmminuten. Das Dichtergenie wird dabei von Breloer durchaus kritisch durchleuchtet – nicht als Frauenverachter, sondern als Frauenfreund, der sich um Moral und Mitgefühl aber wenig schert.  

Filmthema: Die Frauen an seiner Seite

„Freunde und Mitarbeiter, die den Film gesehen haben, meinen“, so Heinrich Breloer, „dass man dabei immer wieder an #MeToo denken müsse. Das sei fast unvermeidlich.“ Dem kann man getrost zustimmen. Elisabeth Hauptmann, Ruth Berlau, Marianne Zoff, Paula Banhölzer, Regine Lutz und natürlich die Schauspielerin Helene Weigel – sie alle begleiteten den Dichter für Jahre seines Lebens. Oft lebten sie auch nebeneinanderher mit ihm zusammen. Und sie alle litten wohl auch mehr oder weniger heftig unter Brecht.

Skeptischer Blick aufs Zeitgeschehen: Bertolt Brecht

Dass Breloer den Blick nicht abwendet, sondern stattdessen beides elegant miteinander verknüpft – Leben und Werk, Liebe und dichterische Finesse – ist eine der Stärken des Films. Trotzdem dürfte der Film „Brecht“ nicht jedem gefallen. Manch einem wird der Blick ins Private vielleicht zu intim, zu persönlich erscheinen – so viele Jahre nach dem Tod des Dichters.

Anderen dürfte es dagegen gerade recht sein, dass Brecht damit ein wenig vom Sockel geholt wird. Wie sagte der Regisseur? „Ich glaube, dass wir alle verschiedene Bilder von Brecht mit uns herumtragen.“

„Brecht“ ist am 22.03. auf Arte und am 27.03. in der ARD zu sehen, Sendebeginn jeweils 20:15.

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