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Kultur - 12.05.2019

AIDS-Stiftung: „Jeder HIV-Infizierte ist einer zu viel“

Internationale Stars der großen Opernbühnen dieser Welt singen ohne Gage bei der Gala der Deutschen AIDS-Stiftung. Die Erlöse werden aktuell besonders in Mosambik benötigt, erklärt Kristel Degener im DW-Interview.

Die Deutsche AIDS-Stiftung wurde 1987 gegründet, um HIV-Positiven und Aidskranken in Not zu helfen. Sie finanziert als größte private Aids-Stiftung in Deutschland verschiedene nationale und internationale Projekte, damit die betroffenen Menschen ein selbstbestimmtes und gesellschaftlich akzeptiertes Leben führen können. Seit August 2018 ist die Juristin Kristel Degener neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Aids-Prävention und die Präsenz des Themas in der Öffentlichkeit. Warum das so wichtig ist und wie die Bonner Operngala dabei hilft, hat sie im Gespräch mit der Deutschen Welle erläutert.

DW: Neben den Operngalas in Berlin und Düsseldorf ist die Bonner Operngala eine wichtige Einnahmequelle für Sie. Im letzten Jahr kam eine Rekordsumme von 230.000 Euro Reinerlös zusammen. Welche Projekte werden mit den Erlösen der Gala in diesem Jahr unterstützt?

Kristal Degener: Hier ist die Besonderheit, dass wir sowohl ganz lokale Projekte in Bonn und Nordrhein-Westfalen unterstützen, aber auch ein internationales Projekt in Mosambik. Lokal geht es vor allen Dingen um die Präventionsarbeit in Schulen. Da hat sich besonders das Ehepaar Ranga und Uschi Yogeshwar engagiert, das in diesem Jahr auch die Schirmherrschaft der Operngala übernimmt. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar hat die Aids-Gala im letzten Jahr moderiert, daraus ist eine intensive Zusammenarbeit gewachsen.

Außerdem gibt es noch ein Projekt für Menschen mit Migrationshintergrund. International sind wir in Südafrika und Mosambik sehr intensiv tätig. Mit der Bonner Gala sammeln wir auch gezielt Geld für unser Projekt in Mosambik.

Verwüstung nach dem Zyklon: Zerstörte Häuser in Mosambik

Dabei geht das Engagement in Mosambik ja über die reine Hilfe für HIV-infizierte Menschen hinaus.

In Mosambik hat vor einigen Wochen der Zyklon gewütet. Wir haben zwei Gesundheitszentren in der Hafenstadt Beira, wo der Zyklon große Schäden verursacht hat. Wir sind jetzt dabei, erst einmal die Gesundheitszentren wieder aufzubauen und müssen Nothilfe für die Menschen leisten, die dort ihr Zuhause verloren haben. Die Gesundheitszentren grenzten an die Townships an, so dass die Menschen, die dort ihre Häuser verloren haben, in unsere Gesundheitszentren gekommen sind, die trotz ihrer Beschädigung noch einigermaßen funktionierten. Sie wurden dort versorgt und bekamen Essen und sauberes Wasser. Wir haben auch ganz schnell die HIV-Versorgung wieder aufgenommen, denn es ist ja wichtig, dass es dabei keine Unterbrechungen gibt, sonst ist die Wirkung gefährdet.

In Düsseldorf konnten Sie gerade mit der zehnten Operngala ein Jubiläum feiern, in Bonn ist es die achte Gala. Wie wichtig ist es mit Künstlern und Musikern für die gute Sache zusammenzuarbeiten?

Das ist unglaublich wichtig, denn ohne die Musiker, die hier ja ohne Gage auftreten, könnten wir gar nicht so eine Wohltätigkeitsveranstaltung organisieren. Die Musiker und Sänger genießen ja auch große Beliebtheit und sind öffentlich wirksam. Auf diese Weise können wir auf das Problem und auf die Krankheit aufmerksam machen.

Durch berühmte Schauspieler und Musiker wie Rock Hudson oder Freddie Mercury ist man ja auch in den Anfängen erst öffentlich auf die Krankheit aufmerksam geworden. Opernarien scheinen für Wohltätigkeitsveranstaltungen besonders beliebt zu sein oder haben Sie auch schon mal – gerade wo der Kinofilm über Freddie Mercury einen solchen Erfolg hatte – über rockigere Konzerte nachgedacht?

Das gehört zur Geschichte der Stiftung. Vor 26 Jahren fand die erste Operngala in Berlin statt und da sind die folgenden Operngalas in Düsseldorf und Bonn entstanden. Sicher, das Publikum, das in die Oper geht, ist überschaubar und wenn wir sagen, wir möchten schneller und verstärkt Prävention und Information vermitteln, dann ist es natürlich auch wichtig, dass wir auch junge Leute ansprechen und die jungen Menschen gehen nicht unbedingt in die Oper. Deswegen ist es auch eine Aufgabe für uns, andere Formate zu entwickeln.

Gibt es da schon entsprechende Vorstöße?

Ja, zum Beispiel in Dresden, da findet jedes Jahr eine HOPE-Gala statt, die ist gezielt nur für unsere HOPE-Stiftung in Südafrika und diese Gala ist ganz anders aufgebaut. Da gibt es Rockmusik und Klassik, das ist ein Mix und ich kann mir gut vorstellen, dass so ein Mix auch in den anderen Städten funktioniert. Hier in Bonn haben wir ja auch den Gitarristen Miloš Karadaglić, oder das Tanzpaar Theda Delbrück und Ivan Smetkin, das ist auch schon aufgelockerter. Es gibt also nicht nur die Opernarien. Aber es sind bei den Operngalas ja einfach große Stimmen dabei, es ist die ganze Atmosphäre und das Festliche, was die Operngala zu einem besonderen Moment macht.

Das Beethovenorchester Bonn begleitet die Opernstars

Sie sind Ihren Posten auch mit dem Ansinnen angetreten, HIV wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Ist das immer wieder nötig?

Die ersten HIV- und Aidsfälle sind ja schon so viele Jahre her und die junge Generation hat nicht diese Erinnerungen an die Krankheit. Deshalb muss man immer wieder vermitteln, was diese Krankheit bedeutet und welche Symptome es gibt. Auch wenn sich die Medizin weiter entwickelt, die Krankheit ist immer noch unheilbar! Trotz der Medikamente bleibt das Virus im Körper. 

Durch Prävention und Information wollen wir neue Infektionen verhindern. Wir haben dieses Jahr schon begonnen, dahingehend neue Projekte zu unterstützen, auch mit der Operngala. Gemeinsam mit der Brost-Stiftung sind wir eine Kooperation mit „Jugend gegen Aids“ eingegangen. Das Besondere bei dieser Jugendorganisation ist, dass die sexuelle Aufklärung von jungen Menschen für junge Menschen erfolgt. In Deutschland gehen die Zahlen der Neuinfektionen zwar zurück, aber im letzten Jahr waren es trotzdem noch rund 2700 Fälle. Da ist jeder einer zu viel.

Und wie sieht es da in den afrikanischen Ländern aus?

Da sieht es natürlich ganz anders aus als bei uns. Der Anteil der Erwachsenen mit HIV und Aids ist sehr erschreckend. In Südafrika haben wir fast 19 Prozent und in Mosambik über zwölf Prozent, die HIV-positiv sind. Die Neuinfektionen pro Jahr gehen in die Hunderttausende.

Deshalb kümmern Sie sich auch um Schwangere, damit Aids nicht an die Kinder weitergegeben wird.

Genau das ist unser besonderes Anliegen in Mosambik. Wir unterstützen dort die Dream-Projekte und die haben zum Ziel, dass schwangere Frauen betreut und aufgeklärt werden und auch in Therapie kommen, damit sie ihre Babys gesund auf die Welt bringen. Das ist medizinisch heute alles möglich. Man muss die Frauen nur in die Gesundheitszentren bekommen, und deshalb arbeiten wir mit einheimischen Arbeitskräften. Wir haben damit ganz großen Erfolg in unseren Gesundheitszentren. Von 100 Babys kommen 98 gesund auf die Welt.

Die DW überträgt die Operngala im Livestream

Ihr Motto lautet: „Tue Gutes und habe Freude daran“. Worauf freuen Sie sich besonders bei dieser Bonner Operngala?

Ich freue mich sehr, dass wir ein volles Haus haben, dass uns so viele Unterstützer mit ihrem Engagement helfen, unsere Projekte und Ziele zu verwirklichen. Ich bin sicher wir werden einen wunderschönen Abend haben mit tollen Klängen und Gesprächen. Die Gala ist ein gesellschaftliches Ereignis und es ist für uns als Stiftung eine große Ehre, ein Teil davon zu sein. 

Das Gespräch führte Gaby Reucher.

Die Deutsche Welle überträgt als Medienpartner die Operngala live im Internet am 11. Mai ab 19 Uhr unter dw.com/kultur 

Die Deutsche AIDS-Stiftung übernimmt das Signal der Deutschen Welle und überträgt das Hörprogramm unter http://aids.st/bn19

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